Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus...
Douglas, Bubnitsch und ich.
BERG:
Und das ließ sich nicht mehr stoppen?
MINKOWSKI:
Wie man so sagt, Euer Ehren: Der Zug war abgefahren. Und noch etwas. Gumboldt war kein Mensch, der sich aufhalten ließ. Eher wäre er über Leichen gegangen.
BERG:
Was er dann ja auch tat.
MINKOWSKI:
Richtig! Was er dann ja auch tat. Aber das sollte ja erst noch kommen. Noch durfte man hoffen, das Schlimmste zu verhindern.
BERG:
Indem man Zeit gewann?
MINKOWSKI:
Zeit zu gewinnen war wichtig. Der Raub des Ikarus an sich war, möchte ich sagen, ein verhältnismäßig geringes Übel - jedenfalls verglichen mit den Folgen: sowohl für die betroffenen Menschen als auch für die Sicherheit der EAA U. Man mußte darauf warten, daß Gumboldts Wachsamkeit nachließ. Ich wollte Schritt für Schritt vorgehen. Denn in keinem Fall - ich wiederhole dies mit Nachdruck - wollte ich das Leben meiner Frau gefährden.
BERG:
Hätten Sie anders gehandelt, Mr. Minkowski, wenn Sie gewußt hätten, daß Ihre Frau zu diesem Zeitpunkt… ?
MINKOWSKI:
Völlig anders, Euer Ehren.
Das kleine U-Boot tauchte in der Brandung auf, wich den wirbelnden Eisschollen aus und kroch mit schmatzendem Geräusch den Strand hinauf. Niemand sah ihm dabei zu. Es war Nacht, und die tiefen Furchen im Sand und im Schnee, die von rotierenden Laufbändern herrührten, würden bis zum Hellwerden getilgt sein. Der sibirische Buran heulte und pfiff und überschüttete die Karagin-Insel im Osten der Kamtschatka-Landmasse mit meterhohem Pulverschnee.
Der Mann, der das Turmluk aufklappte und der jungen Frau beim Anlandgehen behilflich war, gab sich barsch.
„Das ist alles, was ich für Sie tun kann.“
Die Frau preßte seine schwielige Hand.
„Sie haben Ihr Leben für mich riskiert, Gaston. Ich werde Ihnen das nie vergessen.“
„Sie wissen, daß ich Sie nicht begleiten kann.“
„Ich werde mich schon durchschlagen, Gaston. Und machen Sie sich keine Sorgen! Was Sie und Ihre Leute angeht, werde ich schweigen.“ „Ich muß verrückt sein, daß ich Sie laufenlasse.“
„Sie sind alles andere als verrückt, Gaston! Sie sind nur krank und verzweifelt, weil Sie das Gewerbe hassen, das Sie betreiben. Warum machen Sie nicht Schluß damit? Sie leben in ständiger Gefahr. Wenn man Sie faßt, ist Ihnen der Tod gewiß. Und wofür das alles? Sie erledigen die Dreckarbeit, für ein Ei und ein Butterbrot, und die Gumboldts dieser Welt machen Kasse.“
Der Mann zuckte mit den Achseln.
„Vielleicht ist es wirklich so, wie Sie sagen, aber ich bin nun mal, was ich bin, und für alles andere ist es zu spät. Viel Glück!“
„Ihnen auch, Gaston!“
Das Turmluk klappte zu, die Laufbänder begannen zu mahlen und zu schmatzen, und das namenlose U-Boot kroch zurück in das eisige Wasser des Beringmeeres, aus dem es gekommen war.
Tamara wischte sich den Schnee aus den Augen, schlug den Kragen hoch und stemmte sich tapfer gegen den Wind. Alles weitere lag nun in ihrer Hand. Falls die Behörden beizeiten von dem geplanten Verbrechen erfuhren, mochten sie die Ausführung vielleicht noch verhindern.
Auf der Karte der Karagin-Insel, die Tamara auf dem U-Boot eingesehen hatte, war eine Straße eingezeichnet. Eine Stunde, nachdem Tamara an Land gegangen war, wußte sie, daß die Karte ein leeres Versprechen enthielt. Die Straße existierte nicht. Tamara kämpfte sich zum Küstensaum zurück. Sie war völlig erschöpft und so durchfroren, daß sich ihre Gedanken immer wieder verwirrten.
Tamara zwang sich, den Mut nicht sinken zu lassen. Früher oder später mußte sie auf Menschen stoßen. Die Karagin-Insel war, das hatte ihr Gaston versichert, nicht völlig menschenleer. In ihren Tundren gab es nomadisierende Stämme, und in ihrem Süden lag, hart an der Grenze zu den Vereinigten Orientalischen Republiken, der vorgeschobene militärische Stützpunkt Gora-Gora. Den galt es zu erreichen.
Wenn der Wettergott ihr nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte, wäre sie im Lauf dieser Nacht auch bis Gora-Gora gekommen: mit und ohne Straße. Die Rückkehr des sibirischen Winters war nicht vorherzusehen gewesen. Ein Schneesturm um diese Jahreszeit widersprach allen Erfahrungen.
Bei Tagesanbruch wurde Tamara von einem eingeborenen Jäger gefunden, der nach Robben Ausschau hielt. Die Frau lag unter einer Schneeverwehung. Der eingeborene Jäger befreite sie von der tödlichen Last und untersuchte sie mit kundigen Händen. Die Frau war noch nicht tot. Er kniete neben ihr nieder, hob ihren Kopf
Weitere Kostenlose Bücher