Weltraumpartisanen 26: Ikarus, Ikarus...
haben recht, Lieutenant.“
Ich schaltete den Sender ein. Nichts tat sich. Keine optische Anzeige leuchtete auf, kein Zeiger schlug aus, kein Knistern der Sterne ließ sich im Lautsprecher vernehmen. Voller böser Vorahnung öffnete ich das Gehäuse.
Das Werk der Zerstörung, auf das ich blickte, war nicht minder gründlich und fachmännisch ausgeführt worden als an Bord der SM 1. Man war sogar - wohl weil man sich dazu die Zeit nehmen konnte -noch einen Schritt weitergegangen und hatte neben dem Sender auch den Empfänger unbrauchbar gemacht. Der Ikarus war ebenso taub wie stumm.
„Sir.“
Ich richtete mich auf. Lieutenant Stroganow hatte die Tür zum Bandarchiv geöffnet. Er winkte mich zu sich heran.
Der Anblick, der sich mir bot, war grauenvoll.
Albert Chemin, der freundliche Funker mit dem eisgrauen Haar, lag mit wächsernem Gesicht und starren Augen vor den Regalen. Ihm war nicht mehr zu helfen.
Stroganow kniete neben ihm nieder und tastete ihn ab.
„Schon eine Weile her, Sir“, sagte er. „Ein Schuß aus nächster Nähe.“
Stroganow hob das Kinn des Toten an. Schwarzes Gesprenkel wurde sichtbar.
„Bellsche Symptome, Sir.“
Ich fühlte mich elend. Der unter dem Namen Bell bekannte schwere Pistolentyp zählte wegen seiner Brutalität und Heimtücke zu den international geächteten Waffensystemen. Wer ihn benutzte, hatte vor Gericht keine Milde zu erwarten.
„Also Mord!“
„Kaltblütig und vorsätzlich.“
Zögerte ich, um zu einer Entscheidung zu kommen, zu lange? Wahrscheinlich nicht. Es verstrichen allenfalls drei, vier Sekunden, während ich die Sachlage überschlug. Wir hatten es mit einem Verbrechen zu tun, dessen Ausmaße viel größer waren, als ich vor wenigen Minuten noch anzunehmen bereit gewesen war.
Mehr durch Zufall als durch wissentliche Aufmerksamkeit waren Lieutenant Stroganow und ich zu Mitwissern geworden. An jedem anderen Ort wäre dies der Moment gewesen, alles Weitere in die Hände der Polizei oder sonstigen Sicherheitsbehörden zu legen. An jedem anderen Ort… Ich entsann mich der grellen und gewalttätigen Sonne, durch deren Glast der Ikarus in diesem Augenblick zog. Einen einsameren, abgelegeneren Tatort konnte man sich schwerlich denken.
Was also mußte unser nächster Schritt sein?
Darüber brauchte ich mir nicht lange den Kopf zu zerbrechen. Hinter uns wurde die Tür geöffnet, und Piet Gumboldt und sein Team polterten herein. Auch Jan Minkowski befand sich darunter. Mir fiel auf, daß er als einziger keine Waffe trug. Sein Gesicht war bleich, der Blick, den er mir zuwarf, voller Elend, Scham und Verzweiflung.
Piet Gumboldt richtete seine Bell auf meine Brust.
„Sie werden eine Weile lang mein Gast sein müssen, Brandis!“ sagte er. „Sie haben sich den falschen Notlandeplatz ausgesucht.“
Ich löste den Blick vom pulsierenden Lauf der Bell und sah ihm in die Augen.
„Man lernt immer noch dazu, Piet!“ sagte ich. „Bisher habe ich nicht gewußt, daß ein Lehrsatz der Realphilosophie Mord heißt.“
Piet Gumboldt klemmte sich eine Zigarre zwischen die Zähne, und als sie schließlich brannte, kreiste er sie mit seinem Was-kostet-die-Welt -Grinsen ein, das immer noch so jungenhaft verwegen wirkte und deshalb so harmlos.
„Immerhin“, sagte er, „habe ich es dank meiner Realphilosophie bis zum Minenbesitzer gebracht. Und das, Brandis, soll mir mal einer nachmachen!“
14. Rekonstruktion des Tatbestandes
AUSZUG AUS DER BEFRAGUNG DES PIERRE ROLAND DURCH DEN UNTERSUCHUNGSRICHTER BERG
BERG:
Welche Stellung bekleiden Sie bei der Black Diamond Inc., Mr. Roland?
ROLAND:
Ich bin der Chef der astrotechnischen Abteilung in Metropolis, Euer Ehren.
BERG:
Und als dieser waren Sie zuständig für die Fernkontrolle der Ikarus-Verlagerung?
ROLAND:
So ist es.
BERG:
Wie kontrollierten Sie?
ROLAND:
Mit Hilfe des Rechentisches, Euer Ehren. Dieser verarbeitet die einlaufenden Informationen.
BERG:
Wie kommt es dann, daß Sie so spät Verdacht schöpften, Mr. Roland?
ROLAND:
Nun, die Erwägung, jemand könnte die Dreistigkeit besitzen, einen ganzen Planetoiden zu stehlen, lag wirklich sehr abseits. Jedenfalls - als der Kontakt zum Ikarus abbrach, war das nicht weiter alarmierend. Auf die Entfernung hin sind Übertragungsstörungen an der Tagesordnung.
BERG:
Und wie war es um die radioteleskopischen Peilungen bestellt?
ROLAND:
Damit ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht arbeiten, Euer Ehren. Unter der solarkoronaren Streuung war der Ungenauigkeitsfaktor
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