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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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    »Ronan?«, fragte Gansey. In seiner Stimme lag Sorge.
    »Ich warte im Auto.« Ohne jeden weiteren Kommentar ging Ronan und knallte die Tür so hart hinter sich zu, dass die Teller in der Küche klapperten.
    Gansey sah Calla vorwurfsvoll an. »Sein Vater ist tot.«
    »Ich weiß«, entgegnete Calla. Ihre Augen waren schmale Schlitze.
    Ganseys Stimme war unverstellt genug, um die Höflichkeit hinter sich zu lassen und zu Barschheit überzugehen. »Ich weiß nicht, wie Sie das rausgefunden haben, aber ich finde es ziemlich mies, einem Jungen so etwas an den Kopf zu werfen.«
    »Einer Schlange, meinst du wohl«, fauchte Calla zurück. »Und was genau willst du eigentlich hier, wenn du nicht geglaubt hast, dass wir tatsächlich bieten können, wofür wir bezahlt werden? Er hat um etwas Konkretes gebeten. Und genau das habe ich ihm geliefert. Tut mir leid, dass es dabei nicht um flauschige Welpen ging.«
    »Calla«, mahnte Maura im selben Augenblick, in dem Adam mahnte: »Gansey.«
    Adam murmelte Gansey etwas ins Ohr und lehnte sich dann zurück. Ganseys Kieferknochen zuckte beinahe unmerklich. Blue konnte dabei zusehen, wie er sich zurück in Präsident Multitasking verwandelte; sie hatte gar nicht bemerkt, dass er es zwischendurch nicht gewesen war. Jetzt jedoch wünschte sie, sie hätte besser aufgepasst und den Unterschied gesehen.
    »Tut mir leid«, sagte Gansey. »Ronan kann ziemlich unverblümt sein und er war von Anfang an nicht begeistert von der Idee herzukommen. Ich wollte bestimmt nicht andeuten, dass das, was Sie hier tun, nicht authentisch ist. Können wir fortfahren?«
    Er klang so alt, dachte Blue. So förmlich, verglichen mit den anderen Jungs, die er mitgebracht hatte. Etwas an ihm verunsicherte sie extrem, ähnlich ihrem Drang, Ronan zu beeindrucken. Irgendwie sorgte Gansey dafür, dass sie sich so fremd in ihrer eigenen Haut fühlte, dass sie glaubte, ihre Emotionen vor ihm abschirmen zu müssen. Sie durfte ihn nicht mögen, ansonsten würde das, was immer diese Jungen dazu befähigte, das hellseherische Talent ihrer Mutter zu ersticken und den Raum bis zum Bersten zu füllen, sie einfach überwältigen.
    »Schon gut«, sagte Maura, sah dabei jedoch die finster blickende Calla an.
    Als Blue zu Gansey ging, erhaschte sie einen Blick auf seinen Wagen, der am Gehweg geparkt war: ein geradezu unmögliches Orange, wirklich genau die Art Farbe, in der Orla sich die Nägel lackieren würde. Es war nicht gerade ein Auto, das sie sich für einen Aglionby-Schüler vorgestellt hätte – die standen doch auf alles Neue, Glänzende und das hier war definitiv etwas Altes, Glänzendes – und trotzdem war es eindeutig das Auto eines Raven Boys. Plötzlich hatte Blue das Gefühl zu fallen, so als geschähen die Dinge mit einem Mal zu schnell, als dass sie sie richtig aufnehmen konnte. Jeder dieser Jungen hatte etwas Eigenartiges, Komplexes an sich, dachte Blue – genau wie das Notizbuch. Ihre Leben waren zu einem Netz verwoben und irgendwie war es ihr gelungen, darin hängen zu bleiben. Welche ihrer Handlungen das ausgelöst hatte und ob sie in der Vergangenheit oder der Zukunft lag, war irrelevant. Hier, in diesem Zimmer mit Maura und Calla und Persephone, schien die Zeit ein ewiger Kreislauf zu sein.
    Sie blieb vor Gansey stehen. So nah bei ihm stieg ihr wieder der Duft von Minze in die Nase und ließ ihr Herz kurz aussetzen.
    Gansey blickte auf die aufgefächerten Karten in ihrer Hand. Als sie ihn so betrachtete, erinnerte sie sich schmerzlich an seinen Geist, den Geist des Jungen, in den zu verlieben sie sich gefürchtet hatte. Jener Schatten hatte nichts mehr von dem mühelosen, lässigen Selbstbewusstsein gehabt, das dieser Raven Boy vor ihr verströmte.
    »Was geschieht mit dir, Gansey?«, dachte sie. »Wann wirst du zu diesem Menschen?«
    Gansey sah zu ihr hoch, eine Falte zwischen den Augenbrauen. »Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll. Kannst du eine Karte für mich ziehen? Funktioniert das?«
    Aus dem Augenwinkel sah Blue, wie Adam auf seinem Stuhl hin- und herrutschte und die Stirn krauszog.
    Persephone antwortete von irgendwo hinter Blue. »Wenn du es so willst.«
    »Das Wichtigste ist die Intention«, fügte Maura hinzu.
    »Ich will, dass du es machst«, sagte er. »Bitte.«
    Blue breitete die Karten auf dem Tisch aus; sie glitten nur so über die Lackierung. Dann ließ sie ihre Finger darüberschweben. Maura hatte ihr einmal erklärt, dass die richtige Karte manchmal eine Wärme oder

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