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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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zwar nie zugeben, vor allem nicht Gansey gegenüber, aber er war müde . Er hatte es satt, die Hausaufgaben irgendwie zwischen seine Nebenjobs quetschen zu müssen, genau wie seinen Schlaf und die Suche nach Glendower. Die viele Zeit, die er bei diesen Jobs verbrachte, schien ihm einfach nur verschwendet; in fünf Jahren würde kein Hahn mehr danach krähen, ob er in einer Wohnwagenfabrik gearbeitet hatte oder nicht. Das Einzige, was die Leute interessieren würde, war, ob er die Aglionby mit tadellosen Noten abgeschlossen hatte oder ob er Glendower gefunden hatte oder ob er noch am Leben war. Und über all das musste Ronan sich keine Sorgen machen.
    Zwei Jahre zuvor hatte Adam beschlossen, auf die Aglionby Academy zu gehen, und seiner Meinung nach war dafür in gewisser Weise Ronan verantwortlich. Seine Mutter hatte ihn mit ihrer Bankkarte zum Supermarkt geschickt – auf dem Kassenlaufband hatte nichts als eine Tube Zahnpasta und vier Dosen Mikrowellenravioli gelegen – und die Kassiererin hatte ihn darüber informiert, dass das Konto nicht genügend Deckung für diesen Einkauf aufwies. Obwohl ihn keine Schuld getroffen hatte, hatte er sich furchtbar erniedrigt und ausgeliefert gefühlt, während er vor allen anderen Leuten in der Schlange seine Taschen durchwühlt hatte, als wäre es zumindest möglich gewesen, dass er genügend Geld dabeigehabt hatte, um bar zu bezahlen. Unterdessen war an der Kasse nebenan ein Junge mit rasiertem Kopf bedient worden, der lässig seine Kreditkarte durch das Lesegerät gezogen und sich seine Sachen geschnappt hatte, alles innerhalb von Sekunden.
    Allein die Art, wie der andere Junge sich bewegt hatte, so erinnerte sich Adam, hatte ihn absolut beeindruckt: selbstbewusst und unbekümmert, die Schultern zurückgenommen, das Kinn erhoben wie der Sohn eines Kaisers. Während die Kassiererin Adams Karte eine zweite Chance gegeben hatte und sie beide so getan hatten, als hätte das Gerät den Magnetstreifen nicht richtig gelesen, hatte Adam beobachtet, wie der andere Junge draußen auf die Straße getreten war, wo ein glänzendes schwarzes Auto auf ihn gewartet hatte. Als der Junge die Tür des Wagens geöffnet hatte, hatte Adam sehen können, dass darin zwei Jungen mit Rabenemblemen auf den Pullovern und Krawatten gesessen hatten. Geradezu widerlich sorglos hatten sie die Getränke untereinander aufgeteilt.
    Am Ende hatte er die Ravioli und die Zahnpasta auf dem Kassenband liegen lassen müssen. In seinen Augen hatten Tränen der Scham gebrannt, die auf keinen Fall fließen durften.
    Noch nie hatte er sich so sehr gewünscht, jemand anderes zu sein.
    In seinem Kopf war dieser Junge Ronan, auch wenn Adam rückblickend klar war, dass das eigentlich nicht möglich war. Er wäre damals gar nicht alt genug gewesen, um schon einen Führerschein zu haben. Es war einfach irgendein anderer Aglionby-Schüler mit einer funktionierenden Kreditkarte und einem teuren Auto gewesen. Und natürlich war jener Tag nicht der einzige Grund, warum er so dafür gekämpft hatte, auf die Aglionby Academy gehen zu dürfen. Aber er war der Auslöser gewesen. Dieser Ronan aus seiner Erinnerung, unbekümmert und oberflächlich, aber mit unangekratztem Stolz, während Adam eingeschüchtert und beschämt an der Kasse gestanden hatte, eine Reihe ungeduldiger alter Damen hinter sich.
    Er war noch immer nicht zu diesem anderen Jungen geworden. Aber er war ihm einen Schritt näher gekommen.
    Adam warf einen Blick auf seine verkratzte alte Armbanduhr, um zu überprüfen, wie viele Minuten Gansey mittlerweile zu spät war. »Gib mir mal dein Handy«, forderte er Ronan auf.
    Mit erhobener Augenbraue nahm Ronan das Handy vom Dach des BMW.
    Adam wählte die Nummer der Wahrsagerin. Es klingelte nur zweimal, dann hauchte eine Stimme: »Adam?«
    Verwirrt, seinen Namen zu hören, antwortete Adam: »Blue?«
    »Nein«, sagte die Stimme. »Hier ist Persephone.« Und dann, zu jemandem im Hintergrund: »Zehn Dollar, Orla. Wette ist Wette. Nein, auf dem Display steht gar nichts. Da, siehst du?« Dann wieder zu Adam: »Entschuldige bitte. Wenn es ums Gewinnen geht, bin ich manchmal wirklich unmöglich. Du bist der Coca-Cola-Junge, stimmt’s?«
    Adam brauchte einen Augenblick, bis er begriff, dass sie das T-Shirt meinte, das er bei der Sitzung getragen hatte. »Oh, äh. Ja.«
    »Wie schön. Ich gehe Blue holen.«
    Einen unbehaglichen Moment lang hörte er Stimmen im Hintergrund murmeln. Adam schlug nach Mücken; der Parkplatz musste

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