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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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nur hier draußen.
    Blue sagte: »Ich will wissen, warum Neeve hier ist.«
    Calla blieb stehen und sah Blue über die Schulter an.
    »Tja, Pech gehabt«, erwiderte sie nicht sonderlich freundlich. »Ich will wissen, warum sich das Klima wandelt, aber das sagt mir auch keiner.«
    Callas Tasche wie eine Geisel umklammert, beharrte Blue: »Ich bin nicht mehr sechs. Ihr anderen könnt vielleicht alles, was ihr wissen wollt, aus einem Satz Karten lesen, aber ich hab langsam die Nase voll davon, ständig im Dunkeln zu tappen.«
    Zumindest hatte sie nun auch das Interesse von Callas zweiter Augenbraue geweckt.
    »Hast ja recht«, stimmte Calla zu. »Ich hab mich schon gefragt, wann du wohl die Rebellion einläuten würdest. Warum fragst du nicht deine Mutter?«
    »Auf die bin ich wütend, weil sie mir plötzlich vorschreiben will, was ich tun soll.«
    Calla verlagerte ihr Gewicht. »Komm, nimm noch eine Tasche. Und was schlägst du jetzt vor?«
    Blue nahm ihr eine weitere Tasche ab; diese war dunkelbraun und hatte es irgendwie geschafft, zusätzliche Ecken zu entwickeln. Anscheinend war ein Karton darin. »Dass du es mir einfach sagst?«
    Calla tippte sich mit dem Zeigefinger einer ihrer neuerdings freien Hände an die Lippe. Sowohl ihr Mund als auch der Nagel des tippenden Fingers leuchteten in einem sehr dunklen Indigoblau, der Farbe von Tintenfischtinte und der tiefsten Schatten in dem steinübersäten Vorgarten. »Da gibt es nur ein Problem. Ich bin nicht sicher, ob das, was Neeve uns erzählt hat, die Wahrheit ist.«
    Blue fühlte einen Anflug von Schwindel. Die Vorstellung, dass irgendjemand Calla, Maura oder Persephone belügen konnte, schien einfach lächerlich. Selbst wenn sie die Wahrheit nicht kannten, eine Lüge würden sie sofort entlarven. Aber Neeve hatte wirklich etwas Geheimnistuerisches an sich mit ihren Hellseher-Sitzungen mitten in der Nacht, wenn sie offenbar hoffte, nicht erwischt zu werden.
    »Angeblich ist sie hier, weil sie nach jemandem suchen soll«, sagte Calla.
    »Meinen Vater«, riet Blue.
    Calla sagte nicht Ja, aber sie sagte auch nicht Nein. Stattdessen antwortete sie: »Aber ich glaube, dass sie jetzt, nachdem sie schon eine Weile in Henrietta ist, auf der Suche nach etwas ganz anderem ist.«
    Einen Moment lang sahen sie einander bloß verschwörerisch in die Augen.
    »Okay, neuer Vorschlag«, sagte Blue schließlich. Sie versuchte, eine Augenbraue hochzuziehen wie Calla, aber es fühlte sich unzureichend an. »Wir durchsuchen Neeves Sachen. Du fasst sie an und ich stehe daneben.«
    Callas Mund wurde ganz klein. Ihre psychometrischen Ahnungen waren oft ziemlich vage, aber was, wenn Blue sich neben sie stellte und ihre Fähigkeit verstärkte? Als sie Ronans Tätowierung berührt hatte, war der Effekt jedenfalls ziemlich eindrucksvoll gewesen. Wenn sie es mit Neeves Sachen versuchte, konnten sie vielleicht wirklich ein paar konkrete Antworten bekommen.
    »Halt mal die Tasche hier«, sagte Calla und gab Blue die letzte in der Reihe. Diese war die kleinste von allen und aus blutrotem Leder. Sie war unglaublich schwer. Während Blue herumprobierte, wie sie sie zusammen mit den anderen am besten tragen sollte, verschränkte Calla die Arme und trommelte mit ihren indigoblauen Fingernägeln darauf herum.
    »Dafür müsste sie ihr Zimmer für mindestens eine Stunde verlassen«, sagte Calla. »Und Maura müsste anderweitig beschäftigt sein.«
    Calla hatte einmal gesagt, Maura besitze keine Haustiere, weil allein die Pflege ihrer Prinzipien so viel Zeit in Anspruch nahm. Tatsächlich war Maura eine glühende Vertreterin vieler Grundsätze, zu denen auch ihr fester Glaube an die Wahrung der Privatsphäre zählte.
    »Aber du machst es?«
    »Zunächst mal muss ich heute ein bisschen was rausfinden«, sagte Calla. »Zum Beispiel, wie ihr Terminplan für die nächste Zeit aussieht. Was kommt denn jetzt?«
    Ihre Aufmerksamkeit hatte sich einem Auto zugewandt, das gerade vor dem Haus hielt. Calla und Blue legten die Köpfe schief, um das leicht verrutschte Magnetschild auf der Beifahrertür lesen zu können: ANDIS BLUMENLÄDCHEN. Die Fahrerin wühlte geschlagene zwei Minuten auf dem Rücksitz des Wagens herum, bis sie schließlich mit dem kleinsten Blumenstrauß der Welt auf sie zukam. Allein ihr plustrig geföhnter Pony war voluminöser als der Strauß.
    »Gar nicht so leicht zu finden, Ihr Haus!«, sagte die Frau.
    Calla presste die Lippen aufeinander. Sie hegte einen tiefen, leidenschaftlichen Hass auf

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