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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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sie zum ersten Mal an diesem Tag den Henrietta-Akzent in seinen Worten: Das gedehnte »Ich«, die weichen Ds und Bs. In einem nahen Baum zwitscherte ein Kardinal: Uiek, uiek, uiek. Adams Sneaker scharrten auf dem Gehweg. Blue dachte über das nach, was er gesagt hatte, und dann dachte sie noch ein bisschen mehr darüber nach.
    »Pffft«, machte sie schließlich. Sie fühlte sich genauso wie in dem Augenblick, als sie sein Kärtchen aus dem Blumenstrauß gelesen hatte. Seltsam aufgelöst. Es war, als hätten seine Worte einen Faden zwischen ihnen gestrafft und nun musste sie die Spannung irgendwie lockern. »Aber danke trotzdem. Ich finde dich auch hübsch.«
    Er lachte sein überraschtes Lachen.
    »Ich habe noch eine Frage«, sagte Blue. »Erinnerst du dich daran, was meine Mutter als Letztes zu Gansey gesagt hat?«
    Sein betrübtes Gesicht zeigte, wie deutlich er sich erinnerte.
    »Okay.« Blue holte tief Luft. »Sie hat gesagt, sie würde ihm nicht helfen. Aber das gilt nicht für mich.«
    Nach seinem Anruf hatte sie hastig einen groben Anfahrtsplan zu der namenlosen Kirche niedergekritzelt, vor der sie am Vorabend des Markustags mit Neeve gesessen hatte. Es waren nicht viel mehr als zwei halbwegs parallele Linien, die die Hauptstraße darstellten, ein paar hingekrakelte Seitenstraßen und schließlich ein Rechteck, das nur mit »Kirche« beschriftet war.
    Diese Karte, nicht sonderlich imposant auf ihrem knittrigen Stück Papier, gab sie nun Adam. Dann holte sie Ganseys Notizbuch aus ihrer Tasche und reichte es ihm ebenfalls.
    Adam blieb stehen. Nach ein paar Schritten hielt Blue ebenfalls inne und wartete, während er stirnrunzelnd die beiden Dinge in seinen Händen betrachtete. Er hielt das Notizbuch ganz vorsichtig, als wäre es ihm sehr wichtig, oder als wäre es jemand anderem sehr wichtig, der wiederum ihm sehr wichtig war. Sie wünschte sich so verzweifelt sein Vertrauen und seinen Respekt und sie sah seinem Gesicht an, dass ihr für beides nicht mehr viel Zeit blieb.
    »Das hat Gansey im Nino vergessen«, erklärte sie schnell. »Das Buch. Ich weiß, ich hätte es ihm schon bei der Sitzung wiedergeben sollen, aber meine Mom … Na ja, du warst ja dabei. Normalerweise macht sie … normalerweise ist sie nicht so. Ich wusste einfach nicht, was ich von alldem halten sollte. Aber hör zu. Ich würde gerne mitmachen bei dem, was ihr da tut. Ich meine, wenn da tatsächlich irgendetwas Übersinnliches abläuft, würde ich es gern sehen. Das ist alles.«
    »Warum?«, fragte Adam nur.
    Bei ihm gab es nie eine andere Möglichkeit als die Wahrheit, so schlicht formuliert wie möglich. Sie glaubte nicht, dass er irgendetwas anderes akzeptieren würde. »Ich bin die Einzige in meiner Familie, die keine hellseherischen Kräfte hat. Du hast ja gehört, was meine Mom gesagt hat: Ich mache es den Leuten, die solche Kräfte haben, nur leichter. Wenn es so etwas wie Magie wirklich gibt, dann will ich sie sehen. Wenigstens ein Mal.«
    »Du bist ja genauso schlimm wie Gansey«, sagte Adam, aber es klang nicht, als fände er das sonderlich schlimm. »Der will auch einfach nur wissen, ob es real ist.«
    Er drehte den kleinen Plan in seinen Händen. Blue war erleichtert – sie hatte nicht gemerkt, wie stocksteif er gestanden hatte, bis er wieder weiterging, und jetzt war es, als hätte sich alle Anspannung aus der Luft verflüchtigt.
    »Da geht es zum Leichenw… zur Ley-Linie«, erklärte sie und deutete auf das bekritzelte Stück Papier. »Die Kirche liegt auf der Ley-Linie.«
    »Bist du sicher?«
    Blue warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Also, entweder du glaubst mir oder du glaubst mir nicht. Schließlich hast du mich auf eure kleine ›Expedition‹ eingeladen!«
    Adams Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, einem Ausdruck, der so anders war als sein gewohnter, dass seine Züge sich komplett umgestalten mussten, um ihn anzunehmen. »Du machst aber auch gar nichts auf die sanfte Tour, was?«
    An der Art, wie er es sagte, merkte sie, dass er von ihr beeindruckt war, so wie Männer es normalerweise von Orla waren. Das gefiel Blue, besonders weil sie dafür nichts hatte tun müssen, außer sie selbst zu sein. »Nichts, was wichtig wäre.«
    »Tja«, sagte er. »Schätze, du wirst bald feststellen, dass ich so ziemlich alles auf die sanfte Tour mache. Wenn du damit leben kannst, kommen wir beide bestimmt gut miteinander klar.«
    Wie sich herausstellte, lief oder radelte Blue jeden Tag an Ganseys Zuhause vorbei, sowohl auf dem

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