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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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nichts ändern.« Er kratzte sich am Ohr. Dann kehrte sein Selbstvertrauen zurück, und hämisch fuhr er fort: »Ich weiß gar nicht, warum ihr euch wegen der Leiche eines Heiden so viel Mühe macht. Ihr hättet ihn auf den Misthaufen werfen sollen wie einen Hund.«
    Seine Begleiter blickten beschämt drein. Ich wandte mich an den, der mich fesselte, aber der Mann murmelte nur, er täte seine Pflicht, und mied meinen Blick.
    Ich spürte das Unbehagen der Reiter. Sie wollten nicht bis zum Morgen warten; deshalb brachen wir auf, als ihre Kameraden vom Haus zurückkehrten, und ritten beim Schein der Sterne und des viertelvollen Mondes auf wenig benutzten Wegen.
    Alle schwiegen. Nur Faustus plapperte spottend und schadenfroh in seinem leiernden Tonfall. Irgendwann, nachdem er sich lange genug ignoriert sah, verfiel er in Schweigen und verlegte seine Aufmerksamkeit auf sein Pferd, das mittlerweile störrisch geworden war, weil sein Reiter nicht stillsaß und ständig an den Zügeln zerrte.
    Wir ritten nach Süden. Als die Lichter einer Ansiedlung in Sicht kamen, verließen wir den Weg, um das Dorf zu umgehen. Wir begegneten niemandem. Im ersten Morgengrauen gelangten wir zu einem verlassenen Weiler an einer schlammigen Gezeitenbucht. Dort befand sich ein alter, halb verfallener Anleger, an dem ein seetüchtiger Kutter festgemacht hatte. Wir stiegen vom Pferd. Faustus’ Humor, soweit vorhanden, hatte sich während der langen kalten Nacht verflüchtigt, und so sagte er ohne jede Verstellung: »Endlich werden wir euch los.« Nach kurzem Innehalten fügte er mit lauter, theatralischer Stimme hinzu: »Wenn dich dein Auge stört, reiß es aus.« Es hörte sich an, als hätte er es vom Bischof aufgeschnappt oder in einem seiner frommen Bücher gelesen. Selbstzufrieden schnippte er mit den Fingern, und unsere Bewacher brachten uns zu dem Schiff.
    Der Diakon wusste von dem lodernden Hass, den der Notar für uns hegte. Dem Kapitän jedoch, dem schäbigen Besitzer des schmuddeligen Schiffes, war das gleich, solange er sein Geld bekam. Er inspizierte den Beutel Münzen, den der Diakon ihm reichte, und gab Befehl, uns in den Frachtraum zu bringen. Dort wurden wir sorgfältig angekettet, ganz wie der Diakon es befohlen hatte. Von nun an wurden wir nicht mehr beachtet, bekamen aber auch nichts zu essen oder zu trinken. Wenigstens wurden wir nicht mit den schweren Fesseln über Bord geworfen, wie ich insgeheim befürchtet hatte, denn so etwas gehörte bekanntermaßen zu den Verfahrensweisen des Notars. Doch beruhigend war das keineswegs: Wenn uns das Ertrinken erspart blieb, dann nur, weil der Notar Schlimmeres mit uns vorhatte. Er war im gesamten Reich als Meister der Folter und des langsamen Todes bekannt, und er war stolz darauf.
    Von den Barbaren lässt sich selten sagen, dass sie uns Gutes bringen. Das Chaos jedoch, der Feind des geordneten Lebens, ist manchmal auch der Feind der Tyrannen. Als wir in Gallien anlegten, hörten wir als Erstes eine wütende Auseinandersetzung auf dem Kai.
    »Was ist denn nun wieder?«, murmelte Marcellus mit grimmigem Blick zu dem verrosteten Gitter über unseren Köpfen. »Ist selbst das Morden schon zu lästig?«
    Wir lauschten dem gedämpften Streit. Einmal hörte ich den Kapitän schreien: »Aber das sind die Befehle! Sieh selbst, schau dir das Siegel an!« Eine andere Stimme erwiderte gelangweilt: »Ob Befehl oder nicht, ich kann nicht aus dem Nichts Männer herbeizaubern. Das hätte vorher veranlasst werden müssen.«
    Sie stritten weiter. Schließlich polterten Schritte über das Deck, das Gitter flog auf, und das zornrote Gesicht des Kapitäns erschien in der Öffnung.
    »Raus!«, befahl er.
    Das Schiff hatte an einer langen Kaimauer vor verlassen wirkenden Lagerhäusern festgemacht. Die Türen standen offen; dahinter waren leere Räume zu sehen. An einem Ende des Kais lagen ein paar Fischerboote nebeneinander vertäut, als wären sie nach einem Winter auf dem Trocknen vergessen worden. Ein Stück höher lag eine Stadt, deren Mauern rostrot in der Abendsonne leuchteten.
    »Wo sind wir hier?«, fragte ich und rieb mir die aufgescheuerten Handgelenke.
    »Bei Boulogne«, antwortete der Kapitän. »Nicht dass es von Bedeutung für euch wäre.« Dann wandte er sich dem Beamten zu, der uns vom Kai aus anstarrte, fuchtelte mit den Armen und fuhr ihn an: »Na los, weiter! Was glotzt du so? Geh und hol sie!«
    Der Mann rümpfte die Nase und stolzierte davon.
    »Was geschieht nun?«, fragte

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