Wen liebst du wirklich?
herunter. Er stammte wie das meiste ihrer Garderobe vom örtlichen Flohmarkt und war eine Spur zu eng.
Ihre kleine Tanzeinlage hatte Laura ein wenig aus der Fassung gebracht. Allem Anschein nach besaß sie ein natürliches Talent in diesen Dingen … Von ihrer Mutter geerbt? Immerhin war sie ein "Bastard", was man sie nie hatte vergessen lassen. Wenn sie nur gewusst hätte, wie ihre Mutter wirklich gewesen war! Tante Enid hatte immer behauptet, sie sei ein Flittchen gewesen.
"Sie ist mit jedem ins Bett gegangen", hatte Tante Enid gewettert. "Obwohl sie mit deinem Vater, einem respektablen Anwalt, verheiratet war! Diana hat den Namen Morris in Misskredit gebracht!"
Laura würde die Wahrheit vermutlich nie erfahren. Sie würde nie wissen, warum ihre Mutter ihrem Mann untreu geworden war, nie die Identität ihres wahren Vaters feststellen können. George Morris, den alle für ihren Vater hielten, und seine Schwester Enid waren inzwischen tot. Und niemand sonst wusste, dass sie nicht George Morris' Tochter war. Unmittelbar nach ihrer Geburt war ihre Mutter auf und davon, und George hatte gar keine anderen Wahl gehabt, als sie, Laura, als sein Kind aufzuziehen. Er hatte es nicht gern getan, was seine fehlende Zuneigung erklärte.
Wehmütig blickte Laura sich in der gemütlichen alten Küche um. Sie wagte sich den Aufruhr gar nicht vorzustellen, als die Untreue ihrer Mutter entdeckt worden war. Und sie verstand durchaus, dass es für ihren "Vater" hart gewesen sein musste, den "Bastard" seiner Frau anzunehmen.
In dem Bemühen, sie um jeden Preis auf dem "geraden Weg" zu halten, hatte er zusammen mit Tante Enid ein so strenges, restriktives Regime geführt, dass sie, Laura, zu einer verschüchterten grauen Maus herangewachsen war. Die allerdings beachtliche häusliche Fertigkeiten und eine kerzengerade Haltung, die ihresgleichen sucht, vorweisen kann, dachte sie jetzt spöttisch.
"Ach weißt du, Sue, ich bin es so leid, mich bei Vorstellungsgesprächen lächelnd anzupreisen! Ich hasse es!" Laura verlor die Beherrschung und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Ihre Freundin zuckte angesichts dieses ungewohnten Gefühlsausbruchs zusammen. "Es wird sich sicher bald etwas finden", sagte sie tröstend. "Weißt du, ich habe doch nachher meinen Zahnarzttermin in Harrogate. Da bringe ich dir die Tageszeitung mit dem aktuellen Anzeigenteil mit."
"Ich würde wirklich jeden Job annehmen und bin bereit, zu lernen und hart zu arbeiten … Aber Tatsache ist doch, dass ich blass und schüchtern bin und meine Garderobe vorsintflutlich ist", entgegnete Laura bedrückt. "Ich sehe die anderen Bewerberinnen, strotzend vor Selbstbewusstsein, perfekt geschminkt und elegant gekleidet, und weiß, dass sie hinter ihren fein manikürten Händen über mich lachen." Wütend hob sie ihre Hände. "Sieh dir meine an! Sie sind rau von der harten Arbeit. Aber weißt du, Sue, ich wäre genauso toll wie die anderen, wenn man mir etwas Lippenstift, einen Friseurbesuch und einen großen Topf mit Handcreme spendieren würde!"
"He, so habe ich dich ja noch nie erlebt!" rief Sue erstaunt aus.
"Na ja, ich bin wütend." Lauras blaue Augen blitzten auf. "Wann wird die Welt endlich begreifen, dass Äußerlichkeiten nicht alles sind?" Sie verstummte und blickte verwirrt zum Fenster hinaus. "Und was macht der Umzugswagen da draußen?"
"Der hat sich sicher verfahren", meinte Sue.
Thrushton Hall erhob sich ganz am Ende der zwanzig Häuser, aus denen der winzige Ort bestand, und war ursprünglich im Mittelalter aus dem Felsgestein der Gegend erbaut und später in georgianischer Zeit erweitert worden. Ein bunter, blühender Bauerngarten trennte das stattliche Herrenhaus von der schmalen Straße davor, die nur bis zum Fluss führte.
Laura beugte sich vor und spähte angestrengt durch das Sprossenfenster. Sue hatte sicher Recht … andererseits nickten die beiden Umzugsleute zufrieden, als sie das Namensschild an der niedrigen Trockenmauer lasen, holten Thermosflaschen und Sandwiches heraus und ließen sich damit auf der Mauer nieder.
"Wie es aussieht, sind wir zu einem beliebten Picknickziel geworden", sagte Laura. Im nächsten Moment hielt hinter dem kleinen Umzugslaster ein ramponierter, staubiger Jeep. "Und da kommt noch ein Ausflügler!"
Sie verstummte, denn aus dem Jeep stieg ein großer, schlanker Mann, bekleidet mit schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt.
"Was ist los?" Sue eilte an Lauras Seite. "Du liebe Güte! Ist das nicht …?"
Laura war
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