Wenn das der Führer wüßte
Zum erstenmal war er unter fremden Sternen völlig verlassen.
Lagebesprechung in der Station – das Führerbild, an das jemand ein schwarzes Fetzchen gehängt hatte, sah auf die kleine Versammlung herab. Der Oberbaurat führte das Wort. Er sprach zu den Waffenträgern der Expedition.
Die Funkanlage hatten die Geologen abmontiert und zum Teil verpackt, denn ihre wertvollsten Teile sollten hinübergebracht werden. Noch vor ein paar Stunden waren verschlüsselte Funksprüche angekommen, wonach AL Ju 12 von der Situation in Y 771 wußte (vermutlich hatten die Isländer auf dem Rückflug alles Nötige gefunkt); es würde versucht werden, Hilfe entgegenzuschicken – darum hatten die Geologen dringendst gebeten. Dann war die Verbindung abgerissen.
Soviel man sich zusammenreimen konnte, sah die Lage in den Vereinigten Gefolgschaften verheerend aus. Der amerikanische Faschismus, der sich unter den Schlägen der gelben Eroberer und der Erhebung im eigenen Land in zwei Konkurrenzunternehmen aufgespalten hatte, war am Verrecken. Dazu der Oberbaurat höhnisch: „… die eine Firma, die in Duluth, ist vollkommen pleite, die andere, die in Corpus Christi, hat Konkurs angesagt – das ist der ganze Unterschied …“ Das deutsche Schutzkorps und deutschblütige Kader aus der Konkursmasse der Minutemen-Bewegung mußten anscheinend die ganze Last des Krieges gegen die asiatischen Eindringlinge wie auch gegen die Aufständischen tragen. Letztere führten selber einen Zweifrontenkrieg: einerseits gegen die Faschisten und die Schutzmacht des Reiches, andrerseits gegen die Japse, die – nach unbestätigten Gerüchten – bereits im Mittelwesten Stützpunkte halten sollten. Die UVSA waren durch ein paar nuklear bestückte Banzai-Raketen (die aus Hawaii und anderen japanischen Pazifikinseln kamen) für die Invasion reifgeschossen worden; aber deutsche RAK-Basen in Amerika hatten eine fürchterliche Antwort erteilt. Ein Posse am Rand der amerikanischen Tragödie war, daß die sogenannten Lincoln-Freikorps oft Schulter an Schulter mit Minutemen und Kukluxern gegen die Gelben kämpfen mußten. Waren diese verduftet – und sie hatten eine rätselhafte Art, sich im Nu vom Erdboden verschlucken zu lassen –, so gingen anschließend die Zweckverbündeten aufeinander los. „Der Karren da unten steckt so tief im Dreck, daß ich mich nicht damit aufhalten möchte. Uns hier oben im Norden interessiert etwas ganz anderes“, kommentierte der Oberbaurat. Jeder Zoll ein Feldherr, beugte er sich über eine große „Physical Map of Canada“ (eine ähnlich genaue politische Karte war nicht zur Hand), in die er Punkte und Linien eintrug. Alles folgte gespannt seinen Ausführungen.
„Das Problem ist, wie unsere Verbände heil nach Norden entkommen sollen. Was wird Schimming tun? [Generaloberst von Schimming, ehemaliger Panzertruppengeneral, jetzt Chef des OKW-Nordamerika.] Fraglos wird er versuchen, die Truppe aus der Schweinerei da unten herauszuziehen und sie in die Arktisfestung zu führen. Natürlich wissen wir nicht, ob das OKL-NA in Smithers [der Oberbaurat zeigte auf einen Punkt in den kanadischen Rocky Mountains, wobei wieder seine abgekiefelten Fingernägel unangenehm auffielen] noch existiert, das heißt, ob es einsatzfähig ist. Wenn es funktioniert und genügend Flugzeuge da sind, dann ist die Schohse in Butter. Soviel mir bekannt ist, sind diese großen Absetzbewegungen seit Tagen im Gange. Meine Herren, beachten Sie das – es ist für uns von allergrößter Wichtigkeit. Läßt nämlich Schimming die amerikanischen Koofmichs ihren Dreck alleene machen und zieht die ganze Schutztruppe aus den UVSA heraus, dann wird er sich zweifelsohne an die pazifische Küste, also in die Rockies – noch dazu mit seinen ausgezeichneten ostmärkischen Gebirgstruppen –, absetzen und keinesfalls über den offenen Landrücken in Mittelkanada, was heller Wahnsinn wäre. Der breite Waldgürtel, der einigermaßen Schutz böte, ist ja im Winter unpassierbar, auch hört er einmal auf, wir haben die Baumgrenze ungefähr beim 59. Grad. Bon! Schimming wird also in den Rockies so schnell wie möglich nach Norden ziehen – und dagegen wird nun der Feind alles, was er hier in Kanada zusammenkratzen kann, einsetzen, um Schimming den Weg abzuschneiden. Das heißt, bei uns entsteht ein Vakuum …“
Die Wirtschaftsbonzen atmeten hörbar auf. Das „Unternehmen Winnetou“ eine nette kleine Spritztour! Später könnte man von einem Abenteuer auf Leben und
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