Wenn das der Führer wüßte
des geringen Vorrats nur die älteren Leute und die Frauen zugewiesen bekommen. Und er. Weil er „bekanntlich“ leidend war – oder weil er der Gatte der allseits begehrten Frau Sigga von der Leyen war und ein Schwächling obendrein –, hatte „man“, das heißt der Oberbaurat, ihm diese Parka zugeschanzt. Vorzugsweise. Und er hatte sie angenommen. Schande über Schande!
Jugurtha überprüfte seine Waffen, während die Mitbewohner der Baracke auf ihren Pritschen lagen, entweder fachsimpelten oder schliefen. Bewaffnet waren mit Ausnahme der Kranken alle, nur hatte die Schutzmannschaft zusätzlich Karabiner erhalten. Verstohlen betrachtete er seine persönliche Geheimwaffe, den Rubinlaser 6 – Knuds „Pfand“, der Teufel hole ihn und sein, Jugurthas, Angebinde von Sigga. Eine Kuriosität, mehr nicht. Er konnte die Waffe leider nur ein einziges Mal entladen, der Auslöser war ihm bekannt, alles andere war Theorie. Es handelte sich nämlich um einen sogenannten chemischen oder Gas-Laser, der einen Infrarotblitz (Dauer 50 Milliardstel Sekunden) von geradezu gigantischer Intensität aussandte. Der Nachteil war, daß der „Meduso“ den Laser-Effekt mit einer sehr komplizierten chemischen beziehungsweise atomphysikalischen Umsetzung verband. Man konnte jeweils nur einen einzigen superstarken Blitz einheitlicher Wellenlänge erzeugen, vor dem nächsten Einsatz mußte die Gasfüllung erneuert werden. Der „Meduso“ lud sich zwar für zehn Blitze selbsttätig auf, aber wie? Die betreffende Handhabung hatte Jugurtha, der in den Wehrkursen Sondervorlesungen über Laser-Waffen besuchten mußte, total verschwitzt, und sich zu erkundigen, wagte er nicht, da ihm als nicht der SS Angehörigem das Tragen eines Lasers strengstens verboten war. (Die Übergabe der Laser durch den Waffenmeister der Ordensburg an die jungen Schwurmänner war alljährlich eine besonders heilige Handlung, und in den alten SS -Familien hatte sich in jüngster Zeit der schöne Brauch eingebürgert, daß der sterbende SS -Vater seine Laser-Waffe auf dem Totenbett dem Erstgeborenen übergab.) Jugurtha besaß also zwar Thors Hammer, aber nur ein einziger Blitz würde daraus zucken.
Dann hatte er noch das rührende Schießeisen des braven Kummernuß, wo mochte er jetzt sein? Zwei Schuß staken im Magazin, und ein volles Magazin war noch übrig. Und zu diesem Museumsstück hatte er ein weiteres gefaßt, einen 98 K, bewährt von Murmansk bis Tobruk, die wackere „Braut des Soldaten“ aus Weltkrieg Nummer zwo. Dieser populärste Karabiner der Wehrmacht war nach dem Krieg anscheinend immer weiter nach Norden gewandert, man wollte ein so heldisches Überbleibsel, das als schlichtes Symbol des Sieges von den Skalden der Nation besungen worden war, nicht einfach kassieren, und so stattete man irgendwelche weniger wichtige Stützpunkte in der Arktis und in Übersee damit aus. (Der recht witzige steirische Hüttendirektor verglich ihn passenderweise mit dem altösterreichischen Werndlgewehr.) In Y 771 lagerten, gut geölt und in arktischer Schutzpackung, rauhe Mengen von 98 K, auch tadellose Munition war vorhanden. Ein eigener Schlitten wurde damit beladen.
Nur die Führer des Unternehmens, Oberbaurat und Geologen, besaßen moderne Handfeuerwaffen von höchster Vernichtungskraft. Es waren automatische Sturmgewehre verschiedener Typen, die in Anlehnung an den Namen der Expedition „Bärentöter“ und „Henrystutzen“ getauft wurden. Bewundernswert wie überall war hier der Oberbaurat. Seine elegante, kaltblütige Art, mit Laser und anderen neuen Waffen umzugehen, seine straffe Feuerdisziplin (da gab es kein liederliches Schießen, trotz hoher Feuergeschwindigkeit) waren vorbildlich; das ließ beinah vergessen, daß er Sigga allzu vertraulich übers Haar strich und „Blondi“ nannte – diesen Kosenamen hatte Jugurtha zufällig gehört. Verdammt nochmal!
Die Schlittenkarawane zog über die Tundra. Jugurtha, Bewacher des Verpflegungsschlittens und zugleich Proviantmeister, saß hinter dem zwergwüchsigen indianischen Kutscher, die nickenden Häupter der vier Zughunde und des Leittiers vor sich. Hinter ihnen spurte der Motorschlitten mit den zwei Kranken, die Rotkreuzfahne flatterte im Wind. Dann kam die lange Nachhut. Schläfrig beobachtete Jugurtha durch die Lidspalten die langsam vorbeizockelnde Landschaft. Trotz der geheizten Parka und dem Bärenfell, in das er sich eingewickelt hatte, fror ihn bis ins Mark.
Das Land war ein endloser weißer
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