Wenn das Schlachten vorbei ist
Anpassungsprozess, das versteht sie: Hormone werden ausgeschüttet und überwinden, noch während ihr Kopf die Oberhand behalten, argumentieren und die Optionen abwägen will, ihren Widerstand, bis sie schließlich nachgibt. Sie zuckt die Schultern. Schenkt ihrer Mutter ein Lächeln. Hebt ihr Glas. »Ja«, sagt sie, als ihre Mutter sich vorbeugt, um mit ihr anzustoßen, »ja, das wirst du wohl.«
Genau. Klar. Und dann ist da noch Tim.
Sie erwartet ihn an der Helling, als das Park-Service-Boot hinter dem Wellenbrecher erscheint und mit südlichem Kurs in den Hafen von Ventura einfährt. Der hochgewölbte Nachmittagshimmel ist von einem blass gefiederten Blau, und die milde, wohltuende Sonne hängt knapp über den Palmwipfeln, so golden und sanft und fett, dass sie aussieht wie gemalt. Alles, sogar die Demonstranten, die ununterbrochen das Gebäude hinter ihr umrunden, scheint von einem inneren Licht durchdrungen, das die Farben intensiver leuchten und die Schatten weicher werden lässt, während die selbstgemalten Spruchbänder und Plakate – Stoppt das Schlachten! – zu etwas Abstraktem verblassen. Seit dem ersten Test hat sie sich noch dreimal getestet; sie hat eine zweite Packung gekauft, um sicher zu sein, dass das Ergebnis nicht die Folge eines Produktionsfehlers war, und gestern morgen hat sie, kurz bevor ihre Mutter Ed eingepackt hat und wieder nach Arizona gefahren ist, für nächste Woche Montag einen Termin bei der Gynäkologin gemacht. Für eine Blutuntersuchung. Um ganz sicher zu sein, absolut und unwiderleglich.
Nur fünf Leute gehen von Bord: zwei der Studentinnen, die die gefangenen Füchse versorgen, ein Archäologe, der die Relikte der Chumash untersucht, der Botaniker, der ein Gewächshaus für einheimische Pflanzen eingerichtet hat, die er aussetzen will, sobald Fenchel und Flockenblumen entfernt oder wenigstens dezimiert worden sind, und Tim. Als er auf der Gangway ist, winkt er ihr zu und wirkt dünner, müde und erschöpft, ein paar Strähnen hängen ihm in die Stirn und verbergen das lange, schmale Gesicht, und er geht gebeugt unter der Last seines vollgepackten Rucksacks. Er trägt eine Sonnenbrille, die sie noch nie gesehen hat – ein Siebziger-Jahre-Modell mit riesigen Gläsern und einem vergoldeten Rahmen –, und wie lange ist es jetzt her? Zehn Tage erst. Es kommt ihr vor, als wären es Jahre. Er verzieht den Mund zu einem Grinsen, das sein Gesicht aufleuchten lässt, und dann steht er vor ihr, wirft den Rucksack ab und breitet die Arme aus. Und als sie sich an ihn drückt, seine Wärme spürt, die vertrauten Konturen seines Körpers, seine Lippen auf ihren, kann sie ihn gar nicht loslassen – oder vielmehr noch nicht. Erst muss sie ihm ihre Freude in der Sprache mitteilen, die der gesprochenen Sprache vorausgeht: von Körper zu Körper.
»Wow«, sagt er und löst sich von ihr, um den Rucksack aufzuheben, »mir scheint, du hast mich vermisst.«
Sie lächelt zu ihm auf, ihr Blick geht von dem getrockneten Schlamm an den Säumen und Knien seiner Jeans bis zu den glatten, seidigen Haaren des Bärtchens, das er beim letztenmal noch nicht hatte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr«, sagt sie.
Er hat den Rucksack über eine Schulter gehängt und geht Hand in Hand mit ihr den Weg entlang. »Nach deiner Körpersprache zu schließen willst du sofort nach Hause und ins Bett – oder wollen wir erst ein Bier trinken?«
»Erst ein Bier.«
Es ist genau so, wie sie es sich vorgestellt hat: ein Tisch am Fenster, fritierte Kalamari, das blasse Pils schäumt im Glas, die Musik ist ein bloßes Hintergrundgeräusch. »Es gibt gute Nachrichten«, sagt er und taucht ein Stück Kalamari in ein kleines silbernes Schälchen mit Knoblauchsauce, als würde er einen Faden durch ein Nadelöhr ziehen. »Ich glaube, wir haben alle Steinadler bis auf drei oder vier gefangen.«
Seit vier Tagen malt sie sich aus, was sie zu ihm sagen wird, und stellt sich eine imaginäre Unterhaltung nach der anderen vor, doch jetzt, da es soweit ist, kann sie kaum mehr tun als nicken und lächeln und mit schwacher, zaghafter Stimme sagen: »Toll.«
»Sie ziehen uns fürs erste von dem Projekt ab, jedenfalls bis zum Frühjahr, wenn man sehen kann, ob es Brutpaare gibt oder nicht, aber Anfang nächsten Jahres, spätestens im Sommer, werden die Steinadler weg sein, und du kannst die Füchse freilassen.« Er trinkt Bier und stopft Kalamari in sich hinein, als wäre er die ganze Zeit schiffbrüchig gewesen und hätte
Weitere Kostenlose Bücher