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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Einfahrt, vor seinem eigenen Haus und hinter dem verschlossenen Tor, in Sicherheit. Er atmet die Nachtluft ein, legt den Kopf in den Nacken, so dass der Himmel über ihm zum Leben erwacht. Es ist sternklar, der Regen ist aufs Meer hinausgezogen. Wenn es hier überhaupt geregnet hat. Bis auf das gedämpfte Winseln der Hunde hinter der Haustür ist es ganz still.
    Natürlich liegt Scheiße in der Eingangshalle, aber daran ist nur er selbst schuld – er dachte, er würde sechs, sieben Stunden früher zurück sein. Die Hunde begrüßen ihn, umtänzeln seine Beine und schleichen dann schuldbewusst hinaus in die Nacht, und er lässt die Haustür angelehnt und geht in die Küche, um nachzusehen, ob sie Futter brauchen. Die Futternäpfe sind leer. Der Wassernapf desgleichen. Er schüttet Trockenfutter aus der Tüte, füllt den Napf am Wasserhahn und lehnt völlig erschöpft an der Theke. Sein Mund ist ausgetrocknet, die Lippen sind aufgesprungen. Er schenkt sich ein Glas Wasser ein. Unvermittelt denkt er an Essen – im Kühlschrank ist Asiago-Käse, außerdem gibt es Tomaten, eine Avocado, einen halben Laib Hafer-Nuss-Brot – und gleich darauf an Hochprozentiges. Irgendwas, das ihn ausknipst. Im Barschrank glitzert braunes, farbloses und grünes Glas, und er erwägt einen Tequila, doch dann fällt ihm der weiße Rum im Kühlschrank ein. Das erste Glas klärt seinen Kopf, das zweite bringt seinen Kreislauf in Schwung. Das Sandwich liegt in der Mikrowelle, die Hunde kommen mit klickenden Nägeln herein und trinken geräuschvoll schlabbernd, als er zum Hörer greift und Anises Nummer wählt.
    Es läutet dreimal, dann schaltet sich die Mailbox ein. Nach einer enervierenden Pause hört man im Hintergrund eine wiederholte Folge von Gitarrenakkorden und Anises starke, warme Sopranstimme und dann ihre Ansage: »Hallo, hier ist Anise. Ich kann im Augenblick nicht ans Telefon. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piep. Oder dem Ton. Oder was auch immer.«
    Er wählt die Festnetznummer, lässt es sieben-, acht-, neunmal läuten, legt auf und probiert es noch einmal auf dem Handy. Kurz bevor die Mailbox sich meldet, nimmt sie ab. »Weißt du, wie spät es ist?« Ihre Stimme klingt benommen, schwer von Schlaf.
    »Ich bin gerade erst zurückgekommen.«
    Eine Pause. »Gerade erst?«
    »Es war ein verdammter Alptraum. Von der schlimmsten Sorte. Du kannst es dir nicht vorstellen – du hast Glück gehabt, dass du nicht dabei warst. Schlau von dir, nicht mitzufahren.«
    »Ihr seid doch nicht erwischt worden, oder?«
    »Schlimmer, viel schlimmer.«
    »Was?« Alle Lethargie ist aus ihrer Stimme verschwunden. Er sieht sie vor sich, wie sie im Bett sitzt, die Augen zusammenkneift und konzentriert die Lippen spitzt. »Hast du das Boot versenkt oder ist jemand über Bord gefallen oder was?«
    »Jemand ist ums Leben gekommen.«
    »Ums Leben gekommen? Wie meinst du das?«
    »Kelly.« Plötzlich ist er wieder wütend. Das alles ist nur passiert, weil eine spastische, trampelige, übergewichtige Collegestudentin buchstäblich ums Verrecken nicht das Gleichgewicht bewahren konnte. Auf irgendeinem Parkplatz ein Schild herumzutragen ist eine Sache, in der Wildnis zu wandern eine ganz andere. Er weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat. Er hätte nur Wilson mitnehmen sollen. Nur er und Wilson. Und keine Reporterin. »Sie ist tot«, sagt er. »Sie ist abgestürzt.« Er sieht es noch einmal vor sich, den schlaffen Körper, die verdrehten Gliedmaßen, ganz weiß, wo alles andere braun, grau und grün war. »Auf der Insel. Im Willows Canyon. Wir konnten nichts tun …«
    Am anderen Ende ein gedämpfter Ausruf, ein gemurmelter Fluch. »Hat die Polizei …? Oder die Küstenwache …?«
    Er will das nicht weiter erörtern, er weiß nicht mal, warum er sie überhaupt angerufen hat. Oder nein: Er hat sie angerufen, um ihre Stimme zu hören, weil er Trost braucht, vor allem, weil er es loswerden muss, denn er wird nicht schlafen können, ganz gleich, wie erschöpft er ist, das weiß er jetzt schon. »Ich will, dass du kommst.«
    »Ich soll kommen? Ich kann nicht. Du hast mich aus dem Tiefschlaf geweckt, und morgen muss ich arbeiten. Ich hab den Gig in Cold Spring, weißt du nicht mehr? Den frühen, um fünf.«
    Als er im Yachthafen an seinem Liegeplatz festmachte, erwarteten ihn an der Helling zwei Polizeiwagen, mit blinkenden Lichtern, als hätten sie gerade eine Straßensperre errichtet, und obendrein wurde er vom Boot der Küstenwache eskortiert.

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