Wenn das Schlachten vorbei ist
Schienbeine. Es ist schwer, die Leiche zu halten, und es ist schwer, irgend etwas zu erkennen, denn der schwarze Boden des Schlauchboots sieht aus wie ein Loch in der Erde – Wie ein Grab, denkt er –, aber er zögert keinen Moment. »Was soll das?« ruft der Mann, doch die drei, die schon wieder ganz nass sind, ignorieren ihn und legen ihre Last ins Boot. Wilson nimmt die Leine und macht sich daran, es ins Wasser zu ziehen.
Dies ist nicht der rechte Augenblick für vernünftige Argumente, für Erwägungen und Diskussionen. Er hat es satt, es hängt ihm zum Hals raus, und als ihm einer die Hand auf den Arm legt, schüttelt er sie so heftig ab, dass er beinahe das Gleichgewicht verliert. »Fass mich nicht an«, sagt er, und seine Stimme ist leise und ruhig, denn er ist jetzt zu allem bereit, er ist jenseits von Bedrohungen, Berechnungen oder auch nur Rücksichtnahmen. »Was willst du jetzt tun – mich erschießen? Na los, nur zu, du Arsch. Das hier ist unser Problem, unsere« – er will sagen »Genossin«, besinnt sich aber –, »unsere Freundin. Kelly. Und wir werden jetzt tun, was wir tun wollten, als Sie« – er fuchtelt in Almas Richtung – »und Ihre Söldner sich eingemischt haben.«
»Ihr könnt doch nicht –« stottert sie und macht sogar einen Schritt auf ihn und die Brandung zu, doch ihr scheinen die Worte für das, was sie nicht können, zu fehlen.
»Was können wir nicht?« erwidert er, und jetzt brüllt er wütend. »Leben? Atmen? Unschuldige Tiere retten? Mit dem Leichnam dieser Frau, die ihr noch nie im Leben gesehen habt, in unser eigenes Boot steigen? Eure verdammte Scheißinsel verlassen?«
Sie stehen als Silhouetten im Halbkreis um ihn herum. Hinter ihnen lodert das Feuer. Das Wasser ist kalt wie Eis. Das Schlauchboot scheuert auf dem Sand, die Leine ist straff gespannt, auch Josh schiebt. Er macht sich nicht die Mühe, Versucht’s doch zu sagen oder zu wiederholen, dass sie hier keine Befehlsgewalt haben, denn damit würde er jetzt nur noch seinen Atem verschwenden. »Steig ein, Josh«, sagt er. »Und alle, die mitkommen wollen, ebenfalls.«
Die Wellen zerren an dem Boot. Er steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser. »Cammy?« ruft er in die Dunkelheit. »Suzanne? Wollt ihr mit?« Er wartet ein, zwei Sekunden. »Na gut«, sagt er dann, »wie ihr wollt. Wir sind jedenfalls weg.«
Und als einer der Jäger – im Dunkeln kann er nicht erkennen, welcher es ist – ihn festhält, ist er bereit, mehr als bereit: dieser Scheißkerl, dieses strohdumme, jämmerliche, menschenähnliche Arschloch, das meint, ihn aufhalten zu müssen! Er packt ihn und ringt ihn nieder ins Wasser, wo sie beide untergehen, und in dem entscheidenden Moment, da einer von ihnen aufgeben oder ertrinken muss, reißt er sich los, springt auf den Außenwulst des Schlauchboots und tritt mit allem Hass, den er aufbringen kann, in das taumelnde, einem weißen Ball gleichende Gesicht des Mannes. Sie schreien Flüche. Er schreit zurück. »Na los, schießt doch«, brüllt er. »Na los!« Und dann springt der Motor an, das Boot wendet, und das Meer rauscht unter ihm dahin und nimmt alle Last von ihm.
Die Erleichterung ist von kurzer Dauer. Kaum auf dem Wasser, sind sie schon wieder in Schwierigkeiten. Wegen des Sturms ist die See rauh, das leichte Boot wird von den Wellen hin und her geworfen, und ein scharfer, wütender Wind treibt sie am Strand entlang ab, fort von den Lichtern der Paladin . Das Ufer ist schwarz, das Wasser noch schwärzer. Es gibt Felsen, Untiefen, Fahrrinnen, wo die Strömung ein Schlauchboot packen und im Nu umwerfen kann. Dave weiß das, und Wilson weiß es ebenfalls. Wilson hält die bockende Ruderpinne, der Motor müht sich mit einem beständigen hohen Wimmern, und doch ist es, als würden sie sich nicht von der Stelle bewegen. Minuten dehnen sich und reißen, eine nach der anderen, bis sie endlich in den Wind gedreht haben und die Lichter der Paladin stillstehen und dann näher kommen. Keiner sagt etwas, obwohl Dave vor Wut kocht und kurz davor ist, Wilson beiseite zu schieben und selbst die Pinne zu nehmen, und als sie da sind, als sie die Paladin schließlich erreicht haben, schlingert das Schlauchboot ständig von der Leiter weg, und das Heck hüpft und bockt immer genau im falschen Augenblick, bis seine Nerven blankliegen. Sie schaffen es mit Mühe und Not, Kelly und das Schlauchboot an Deck zu heben, ohne sich umzubringen.
Alles Scheiße. Er ist in Panik, er will hier weg, bevor die
Weitere Kostenlose Bücher