Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
bestimmen!
Und so gingen Ramira und Daniela zum Direktor, die Zeugnisse wurden überreicht, und über allem ertönte in voller Lautstärke der vielsagende Songtext: «Fuck you, we’ll never come back! Fuck you, we hate you so bad!» Eine schöne Szene, die sich auf jedem Abivideo gut macht.
Orhan, Thomas und ich hatten eine versöhnlichere Art gewählt, uns zu verabschieden. Unsere letzten Schritte als Schüler wurden begleitet von Unheilig mit «Große Freiheit» – denn die hatten wir uns jetzt verdient.
Doch was tun mit dieser Freiheit? Das war nach dem Abi wohl die meistgestellte Frage, die man erdulden musste: Was machst du jetzt? Was willst du mal werden?
Viele haben da klare Vorstellungen. Ein Jahr in Australien, dann ein Studium in Oxford oder Yale und anschließend eine lebenslang garantierte Festanstellung mit Aufstiegschancen in einem international renommierten Unternehmen. So einfach geht das. Denken viele.
Ich habe da so meine Zweifel. Es ist sehr in Mode gekommen, ins Ausland zu gehen. Klar, das ist eine tolle Erfahrung, trägt zur Völkerverständigung bei und qualifiziert sicher für bestimmte Dinge – aber eine Jobgarantie ist es nicht. Zumal es inzwischen fast nichts Besonderes mehr ist.
Außerdem macht ein Jahr Australien aus einem bedepperten Vollpfosten noch lange keinen Nobelpreisträger. Wenn der gleiche Vollpfosten zu Hause bleibt, ändert sich natürlich auch nichts. Aber um im elterlichen Haushalt noch nicht hervorgebrochene Qualitäten und Selbständigkeit zu erlangen, reicht wahrscheinlich auch ein einfacher Tapetenwechsel. Ich behaupte, es ist genauso eine Umstellung von einem Dorf in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen nach München, von Berlin nach Köln oder von Freiburg nach Jena zu ziehen, wie wenn man ins Ausland geht. Das gilt für Bereiche des alltäglichen Lebens. Jetzt wird der eine oder andere vielleicht einwerfen: «Ja, aber Moment. Im Ausland lernt man eine neue Sprache.» Gegenfrage: Muss man das nicht auch, wenn man von Hamburg nach Bayern zieht?
Aber Deutschland ist bei jungen Menschen nicht sehr beliebt, glaubt man der Statistik. Die meisten geben an, auf keinen Fall in Deutschland bleiben, sondern auswandern zu wollen. Häufiger Grund: das Wetter. Wenn das mal keine Entscheidungsgrundlage ist!
Ich würde gerne wissen, wie viele von denen, die sich geschworen haben, im Ausland leben zu wollen, dies auch dauerhaft verwirklichen. Und vor allem, ob es wirklich besser ist. Wenn ja, ist Deutschland bald leer. Dann pflanzen wir Unmengen von Bäumen und stellen den Zustand der Landschaft des Jahres 100 vor Christus wieder her. Oder wir bauen einen gigantischen Windpark und versorgen ganz Europa mit Energie. In Deutschland brauchen wir die dann ja nicht mehr. Für die zwei, drei verbliebenen Deutschen reicht ein Dieselgenerator.
Eine andere Modeerscheinung sind bestimmte Studiengänge. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Fach «International Law». So viele internationale Juristen kann man gar nicht einsetzen, wie derzeit Recht studieren. Aber es klingt eben gut. Genauso, wie «irgendwas mit Medien» mal unglaublich beliebt war. Man muss die Sachen eben interessant klingen lassen, dann studieren die Leute das auch, selbst wenn sie keine Ahnung haben, worum es dabei geht.
International Business Management
geht einem eben besser über die Lippen als BWL , und
Global and Urban Management
klingt wie die Ausbildung zum Weltherrscher, bis man sieht, dass es sich dabei um Geographie handelt.
Im Berufsleben geht das dann weiter. So fühlt man sich als
Associate Consultant
viel besser als ein einfacher Berater, und selbst der Hausmeister einer Wohnblocksiedlung wird schon bald als
Head of Housecontrolling and Facility Management Operator
angesprochen werden. Titel machen Leute.
Das könnte auch das Imageproblem Deutschlands lösen. Benennen wir uns einfach um in
United States of Central Europe between Elbe and Isar
. Das macht doch nun wirklich mehr her als diese «Bundesrepublik» …
Man muss natürlich nicht einen der häufig gewählten Studiengänge nehmen oder ins Ausland gehen. Mein Freund Orhan hat beides sofort ausgeschlossen: «Ey, ich lebe seit neunzehn Jahren in Deutschland, und immer noch schütteln so Omas im Bus, wenn ich den MP 3 -Player zu laut hab, den Kopf und sagen Sachen wie ‹typisch Ausländer›. Ich hab quasi neunzehn Jahre Auslandserfahrung. Und Studium ist nichts für mich. Ich will was Praktisches machen.» Orhan hat bereits während
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