Wenn der Wetterhahn kräht
Flamme.
»Um einen Menschen von einer
Eisenhutvergiftung zu kurieren, benötigt man etwas weitaus Stärkeres als
Taglilien, junger Freund! Unsere vorrangige Aufgabe wird darin bestehen, den
Menschen zu zeigen, was sie pflücken dürfen und was nicht. Wir könnten endlose
Gespräche über dieses Thema führen, Gentlemen, doch jetzt haben Sie wenigstens
einen kleinen Eindruck von meinen Plänen. Von nun an werde ich jedenfalls dafür
sorgen, daß Großvater nicht umsonst aufgetaut ist.«
»Bravo, Miss Binks!« sagte Peter. »Auf
unsere Unterstützung können Sie zählen.«
»Dann könnten Sie mir vielleicht als
erstes den Gefallen tun, Professor Enderble zu bitten, bei Großvaters
Beerdigung ein paar Worte über die hiesige Fauna zu sagen? Ach herrje, ich
hoffe doch sehr, daß Großvater nicht zu feucht ist, um eingeäschert zu werden.
Es würde bestimmt ein Vermögen kosten, ihn in seinem momentanen Zustand von der
Westküste überführen zu lassen. Was rede ich da überhaupt! Ich besitze ja jetzt
ein riesiges Vermögen, das ich ausgeben kann! Ich werde mir die Sache mit der
Beerdigung noch einmal genau durch den Kopf gehen lassen. Einerseits möchte man
nicht übertrieben protzig sein, andererseits sollte man sich als Multimillionärin
natürlich auch nicht lumpen lassen. Du liebe Zeit, so unangenehm ist das
Gefühl, reich zu sein, gar nicht. Schwäche, dein Name ist Binks! Was ist
übrigens aus der Wetterfahne der Seifenfabrik geworden, Professor Shandy?«
»Meine Frau hat sie gerettet.«
»Das freut mich aber! Jetzt können wir
immer hingehen und nachsehen, aus welcher Richtung der Wind weht. Ein
unschätzbares Hilfsmittel für uns Überlebenskämpfer, finden Sie nicht? Mal
nachdenken, erst holen wir uns die neunzig Millionen Dollar, dann beerdigen wir
Großvater, danach blasen wir Sam Snell den Marsch, damit er die Seifenfabrik
wiederaufbauen läßt, und zu guter Letzt widmen wir uns der Kermesbeere. Das
dürfte für den Anfang genügen. Die großen Probleme gehen wir später an. Und
jetzt, Gentlemen, entschuldigen Sie mich bitte für fünf Minuten, damit ich mich
feinmachen kann, und dann können wir uns auf den Weg machen.«
Nachwort
W ie William L. DeAndrea in seiner
hervorragenden »Encyclopedia Mysteriosa« 1994 schreibt, hat Charlotte MacLeod
mit ihren Serien über Peter Shandy von der Landwirtschaftlichen Hochschule in
Balaclava County (»Schlaf in himmlischer Ruh«, »...freu dich des Lebens«, »Über
Stock und Runenstein«, »Der Kater läßt das Mausen nicht«, »Stille Teiche
gründen tief«, DuMont’s Kriminal-Bibliothek Nr. 1001, 1007, 1019, 1031, 1046)
und um das Bostoner Paar Sarah Kelling und Max Bittersohn (»Die Familiengruft«,
»Der Rauchsalon«, »Madam Wilkins’ Palazzo«, »Der Spiegel aus Bilbao«, »Kabeljau
und Kaviar«, »Ein schlichter alter Mann«, DuMont’s Kriminal-Bibliothek Nr.
1012, 1022, 1035, 1037, 1041, 1052) einen wichtigen Trend im neueren
Detektivroman begründet, den zwar die Kritiker nicht bemerkten, wohl aber das
Publikum: Ihre Detektivromane mit ihrer geglückten Mischung aus Humor,
exzentrischen Charakteren, fairen Clues und haarsträubenden Plots machten
Charlotte MacLeod zur mit weitem Abstand erfolgreichsten Autorin nicht nur
ihres amerikanischen Verlages, sondern auch der DuMont-Reihe. Zudem gilt sie — was
den deutschen Übersetzern und Lektoren bisweilen Kopfschmerzen bereitet — als
eine der besten Stilisten ihrer Generation mit einem geradezu beängstigenden
Wortschatz.
Mit sichtlichem Behagen erweitert sie
im neuen Roman den Buggins-Lumpkins-Clan, dessen Stammbaum wir in »Stille
Teiche gründen tief« kennengelernt haben, um ein weiteres Mitglied: Ein
Großneffe von Fortitude Lumpkin, dem Gründer der gleichnamigen Seifenfabrik in
Lumpkinton, mit dem bezeichnenden Vornamen Praxiteles war nach neuenglischen
Maßstäben einer der größten Bildhauer seiner Zeit — er zog herum und fertigte
Wetterfahnen, die sich durch ihren Ortsbezug auszeichneten. So ziert die
Seifenfabrik seiner Familie etwa ein Mann in einem Badezuber und die
Forstakademie ein Holzfäller mit einem Eichhörnchen.
Helen Shandy wurde nach der
Wiederentdeckung des Folklore-Künstlers mit einer Dokumentation seiner noch
vorhandenen Werke beauftragt — als promovierte Bibliothekswissenschaftlerin,
Kuratorin der wertvollen Buggins-Bibliothek und Verfasserin des Standardwerks
»Die Familie Buggins in Balaclava County« war Praxiteles Lumpkin doch
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