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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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bekommen, den Caroline dir nach Eloisas Geburt geschrieben hat!«, erklärte Portia vorwurfsvoll. »Warum hast du nie geantwortet?«
    Er zuckte die Achseln. »Vielleicht habe ich es ja. Du weißt doch, die Post ist für ihre Unzuverlässigkeit berüchtigt.«
    Sie kniff die Augen zusammen, vermutete, dass in dem Fall nicht die Post unzuverlässig oder berüchtigt war. »Nun, jedenfalls war es sehr gedankenlos von dir, uns so lange darüber im Ungewissen zu lassen, wo du bist und wie es dir geht. Du hättest ... «
    »Untot sein können?«, beendete er den Satz für sie, als sie zögerte. Als Antwort auf ihren tadelnden Blick seufzte er. »Wenn du mir nicht erlaubst, dich nach Hause zu bringen, was schlägst du dann vor, wie ich dich loswerde? Soll ich dich einfach an der nächsten Spielhölle absetzen, an der wir vorbeikommen?«
    Portia setzte sich ihren Hut auf und band die Seidenbänder unter ihrem Kinn zu einer kecken Schleife. Sie wusste, dass sie nun allen Mut brauchen würde, den sie aufbringen konnte. »Eigentlich hatte ich gehofft, ich könnte dich nach Hause begleiten.«
    Alle Spuren von Belustigung verschwanden aus Julians Miene, ließen sie so kalt und ausdruckslos wie eine Maske erscheinen. »Es tut mir leid, aber ich halte das für wenig ratsam. Da du allein hergefunden hast, nehme ich an, bist du auch in der Lage, selbst nach Hause zu gelangen.« Er machte eine knappe Verbeugung. »Gute Nacht, Miss Cabot. Überbring bitte meinem Bruder und seiner Familie meine besten Grüße.«
    Er drehte sich um und entfernte sich, als hätte er tatsächlich vor, sie hier an der Straßenecke allein zu lassen, immer noch in seinen nach Tabak und ihm riechenden Umhang gehüllt.
    »Wenn du mich nicht mit in deine Wohnung nehmen willst«, rief sie ihm hinterher, »dann folge ich dir eben einfach.«
    Julian fuhr zu ihr herum, kam zu ihr zurück. Sein Gesichtsausdruck war so mörderisch, dass Portia den nahezu überwältigenden Drang verspürte, rückwärts zu gehen.
    Er blieb dicht vor ihr stehen, und seine dunklen Augen glühten. »Erst marschierst du in eine der verkommensten Spielhöllen der Stadt, als wärest du die verdammte Königin Elisabeth, dann schlägst du vor, einen Mann wie mich — nein, ein Monster wie mich — in seine Wohnung zu begleiten? Ist dir dein Ruf völlig gleichgültig? Bedeutet dir dein Leben denn gar nichts?«
    »Meinem Leben gilt momentan nicht meine Hauptsorge, sondern deinem.«
    »Ich habe kein Leben, meine Süße. Nur eine Existenz.«
    »Die bald schon ihr Ende erreicht, wenn du dir nicht anhörst, was ich zu sagen habe.«
    Er fluchte flüssig auf Französisch. Portia hob ihr Kinn, weigerte sich, rot zu werden. Sie hatte schon wesentlich farbigere Flüche von den Lippen seines Bruders gehört, und die waren zudem alle auf Englisch gewesen.
    Ein Mann wankte an ihnen vorüber, stank nach Schweiß und billigem Schnaps. Als der gierige Blick des Fremden über Portias üppiges Dekolleté glitt, bleckte Julian die Zähne und knurrte. Es war ein so primitiver Laut, dass sich Portia die Haare im Nacken aufstellten. Der Mann torkelte hastig weiter, rannte beinahe gegen einen Laternenpfosten, während er über die Schulter einen furchtsamen Blick zu ihnen warf.
    »Es sieht so aus, als sei ich nicht das einzige Ungeheuer, das die Londoner Straßen heute Nacht unsicher macht.« Julian strich sich über das Kinn, rang sichtlich mit sich. »Nun gut«, sagte er schließlich unwillig. »Wenn du darauf bestehst, dann bringe ich dich in meine Wohnung, aber nur unter einer Bedingung: Du musst versprechen, dass du mich in Ruhe lässt und verschwindest, nachdem du mir verraten hast, was du mir so dringend sagen musst.« Ohne auf ihre Antwort zu warten, bot er ihr seinen Arm.
    Da sie immer noch von dem unheimlichen Knurren erschüttert war, zögerte Portia einen winzigen Moment, ehe sie ihre behandschuhte Hand darauflegte.
    Zu Portias Überraschung führte die wackelige Treppe zu Julians gemieteter Wohnung in der Mitte der Strand nicht nach unten, sondern nach oben. Sie hatte angenommen, er würde eine luxuriös eingerichtete Kellerunterkunft bewohnen, ähnlich seinem geheimen Zimmer im Kerker von Trevelyan Castle, dem Landsitz, auf dem Adrian und er aufgewachsen waren.
    Dieses Zimmer war mit Kaschmir und chinesischer Seide ausgekleidet gewesen und mit Chippendale-Möbeln eingerichtet. Es hatte Büsten und Gemälde gegeben, ein Schachspiel aus Marmor, mit dem er sich die Zeit tagsüber vertreiben konnte, wenn er

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