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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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krähte, und Albert verputzte seinen zweiten Fladen, den er diesmal mit Hirsesirup bestrichen hatte. Er wollte offenbar, dass der Honig noch ein paar Wochen reichte. Ich nahm ihm seinen Teller ab und wartete, dass er seinen Kaffee austrinken würde, ehe ich beides in die Spüle stellte. Er gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und blickte dabei hinter mir durch das Fenster in den Himmel hinauf. »Heute hab ich keine Zeit zum Melken, Leta-ree. Ich versprech dir, das morgen wiedergutzumachen.«
    »Macht nichts«, sagte ich. »Ich bin sowieso bei den anderen Tieren.« Meistens übernahm er am Morgen das Melken, da er wusste, dass ich es nicht mochte. Nicht viele Männer melkten freiwillig die Kuh, ehe sie zu den Gruben aufbrachen.
    Ich hörte, dass sich die Mädchen zu regen begannen. Sie würden Jack wecken, so dass ich das nicht tun musste. Dieser Junge hätte einen Wirbelsturm verschlafen können, selbst wenn er darin herumgeschleudert worden wäre. Ich konnte das Melken und Füttern und das Einsammeln der Eier erledigen, bevor die Kinder in die Schule gingen.
    Ehe ich aus dem Haus in den Hof ging, rief mich Virgie. Sie saß auf dem Boden in ihrem Zimmer und zog ihre Schuhe an, während die Lockenwickler noch von ihrem Kopf abstanden. »Soll ich die Eier holen, Mama?«
    »Du isst dein Frühstück und schaust, dass dein Bruder fertig wird. Wir kümmern uns um die Eier, wenn alles andere erledigt ist.« Ich wusste, dass ich Zeit haben würde, sie zu sammeln, bevor die Kinder mit dem Frühstück fertig waren.
    Sie sah mich von unten an. »Hast du mit Papa gefrühstückt?«
    »Ich hab genug.«
    Damit ging ich zur Kuh hinaus. Sie würde sich quälen, wenn ich nicht bei ihr war, ehe die Sonne ganz aufgegangen war. Der Himmel war bereits rosa überzogen, aber ich blieb trotzdem noch bei den Hühnern stehen, um ihnen eine Handvoll Futter hinzuwerfen. Moses drehte ihren Kopf, um mich zu begrüßen, und gab dann ein tiefes Knurren von sich. Das bedeutete, dass sie schlechte Laune hatte, deshalb machte ich einen großen Bogen um sie, bevor ich mir den Schemel holte und mich ihr von der Seite näherte. Nach ein wenig Gurren und Streicheln schien sie ruhiger zu werden. Ich rückte den Schemel etwas dichter an sie heran. Der Schemel hatte nur drei Beine, damit man jederzeit ausweichen konnte, wenn die Kuh mürrischer war als gedacht. Sie blieb jedoch ruhig stehen, und ich stellte den Melkeimer unter ihr Euter. Es war schwer vor Milch, und ich genoss die friedliche, mir so vertraute Aufgabe. Wenn man richtig melkt, kommt man in einen Rhythmus, wie wenn man mit einer Singer näht. Die Finger gewöhnen sich an ihre Arbeit und erledigen sie wie von selbst, während der Geist frei treiben kann.
    Als Virgie sieben und Tess noch ein Kleinkind war, hetzte ich mich fast zu Tode, um mich um die beiden zu kümmern, während ich gleichzeitig mit Jack in meinem Bauch jeden Tag runder wurde. Tess hatte Pseudokrupp, und ich musste die Tiere füttern. Also setzte ich Virgie in den Schaukelstuhl, rückte diesen so nahe wie möglich an den Kamin heran, und befahl ihr, Tess in den Armen zu halten und sie nicht loszulassen. Ich sagte: »Hier kann ihr nicht kalt werden. Ihr muss warm sein, also rühr dich nicht von der Stelle. Auf keinen Fall.«
    Als ich aus dem Stall zurückkam, waren sie beide geröstet. Gesichter so rot wie nach einem Sonnenbrand. In Virgies Augen standen Tränen, und als ich fragen wollte, was das denn solle, meinte sie: »Du hast gesagt, ihr darf nicht kalt werden, Mama. Du hast gesagt, ich soll mich nicht von der Stelle rühren.«
    Es war seltsam: Wenn man ihr Porzellanpuppengesicht sah, nahm man an, dass sie eitel und selbstsüchtig sein musste. Aber Virgie hätte sich jederzeit auf einen Feuerameisenhügel gelegt, wenn uns das geholfen hätte – vor allem ihren jüngeren Geschwistern. Seitdem Tess auf der Welt war, verhielt sie sich so. Als hätte ein Blick auf diese quäkenden kleinen Gesichter genügt, um etwas in ihr zu wecken, das sie dann für immer an die beiden band.
     
     
    Albert
    Ich kurbelte das Modell T an, setzte mich auf den Kunstledersitz und warf meine Grubenkluft, die Stiefel und die Kappe auf den Boden vor dem Beifahrersitz. Jeden Morgen, wenn ich mit dem Automobil zur Arbeit fuhr, war ich froh darüber. Ich hatte erlebt, wie meine Eltern in ihrer kleinen Hütte auf dem Land der Tennessee Company im Dreck wühlten, und hatte mir und Gott damals versprochen, dass ich so niemals leben würde – mit

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