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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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gute Kuh gewesen, weiß und rein wie ihre Milch, aber dann musste sie ein böser Geist heimgesucht, sie von innen aufgefressen und ihre Seele so schwarz wie die Sünde gemacht haben. Damals begannen sich auch die schwarzen Flecken auf ihrem Fell zu zeigen. Sie sah immer so aus, als würde sie mich am liebsten in Stücke reißen, obwohl sie ohne mich nie ihren Namen bekommen hätte.
    Ich mochte das Plumpsklo nicht. Man musste die Luft anhalten, und es war da drinnen dunkel, und mein Po war knochig und hätte jederzeit durch das Loch rutschen können. Das befürchtete ich jedenfalls. (Es war ein Zweisitzer, aber beide Sitze hatten Erwachsenengröße). Ehe ich die Tür aufzog, holte ich tief Luft, dann stürzte ich hinein und riss meinen langen Schlüpfer so schnell ich nur konnte herunter, während ich innerlich die Sekunden zählte. Ich konnte meinen Atem nur bis dreiundsechzig anhalten.
    Bis vierzig schaffte ich es gewöhnlich, mein Geschäft zu erledigen. Dann zog ich ein Stück des Sears-Roebuck-Katalogs heraus, das ich immer in meiner Tasche hatte. Mir blieben noch zehn Sekunden. Wenn es ging, hielt ich den Atem an, bis ich wieder bei Pferd war, anstatt schon bei den Schweinen Luft zu holen.
    Diesmal war ich bei dreißig fertig. Tante Celia kam zu Besuch, und ich wollte unbedingt sehen, wie sie spuckte. Ich beugte mich vor, um meinen Schlüpfer wieder raufzuziehen, als ich auf dem Sitz neben mir eine dicke Spinne entdeckte. Kein Weberknecht und auch keine kleine Grasspinne, sondern etwas Fremdes. Eine solche Spinne hatte ich noch nie gesehen. Sie hatte lange Beine und einen Körper, der sich wand und so groß wie ein Finger war. Ich sprang auf und schlug auf sie ein, und sie verschwand im Loch. Das alles brachte mich zum Schreien, und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Ich brüllte und brüllte, holte tief Luft und brüllte weiter.
     
    Virgie
    Mr. Dobson stand vor der Tür, ein Sack mit Birnen in der einen und einen Strohhut in der anderen Hand. Er nickte mir zu, wobei sein ganzer Kopf ein einziges Zwinkern zu sein schien.
    »Ich dachte, deine Ma mag vielleicht wieder ein paar Birnen.«
    »Ich hol sie, Sir.«
    Mr. Dobson blieb so regungslos stehen, als würde er nicht einmal atmen. Nur mit dem rechten Fuß klopfte er im Takt auf den Boden. Das tat er immer, bis Mama zur Tür kam. Er brachte etwa einmal in der Woche Birnen vorbei, und ich achtete dabei immer auf seinen Fuß. Er blickte auf einen Punkt oberhalb meines Kopfs, an eine Stelle an der Wand, die überhaupt nicht interessant war. Ich hatte das Gefühl, dass es falsch gewesen wäre, ihm in die Augen zu schauen, wenn er meinen Blick so geschickt vermied. Also beobachtete er die Wand, und ich beobachtete seinen Fuß, und es dauerte einige Sekunden, bis mir einfiel, dass ich ja eigentlich Mama holen sollte.
    Sie hasste es, wenn wir brüllten, als würden wir einen Hund rufen.
    Die Dobsons hatten nicht viel außer ihren drei Birnbäumen. Mama gab ihm im Tausch gegen die Birnen meist einen Korb mit Gemüse und vermutlich auch etwas Maismehl mit. Ihre Begeisterung wirkte immer etwas aufgesetzt, wenn sie das Obst sah. Sie lächelte dann breit und betont zufrieden, und ich wusste, sie hoffte, durch die Fröhlichkeit in ihrer Stimme – die sie so klingen ließ wie jemand, der gar nicht meine Mama war – würde Mr. Dobson nicht bemerken, dass der Korb, den er bekam, voller war als der Sack, den er uns brachte.
    Mama rutschte gerade auf Händen und Knien mit einem Eimer voll Seifenlauge auf dem Boden herum und meinte, sie sei gleich da, sie müsse sich nur noch kurz die Hände waschen. Das richtete ich Mr. Dobson aus, dessen Fuß noch immer im Rhythmus auf den Boden trat. Er dankte mir und wies dann mit dem Kopf in Richtung Fluss.
    »Mit Tess stimmt was nicht. Hab sie schreien gehört.«
    Als Mama zur Tür kam, lief ich bereits den Hügel hinunter und fragte mich, was mit Tess los sein konnte. Sie hasste das Plumpsklo. Als sie klein war, verdrückte sie sich meist in die Büsche, bis Mama ihr eines Tages erklärte, dass so etwas nicht damenhaft sei.
    Ich ging auf Moses zu, die den Kopf herumriss, sobald sie mich bemerkte. Tess hatte sie zuerst Jesus taufen wollen. Man kann keine Kuh nach Gottes Sohn benennen, aber damals war sie fünf. Also entschied sie sich für Moses. Nach dem ganzen Hin und Her wegen ihrer ersten Namenswahl brachte es niemand über sich, ihr zu erklären, dass Moses eigentlich ein Männername, eine Kuh aber

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