Wenn Die Seele Verletzt Ist
den guten Verlauf einer Traumatherapie ist. Heute steht fest, daß es sogar schädlich ist, diese Erinnerung zu früh herbeizuführen. Traumaopfer können ihre psychische Gesundheit gefährden, wenn sie ohne die nötige Vorbereitung mit ihrem Trauma konfrontiert werden. Vorher muß unbedingt sichergestellt sein, daß sie die Konfrontation mit der persönlichen Hölle gut verkraften. Bei Folteropfern zum Beispiel kann die psychische Gesundung davon abhängen, die Traumatisierung gerade nicht zu thematisieren und die Geschädigten dabei zu unterstützen, trotzdem ein gutes Leben zu führen.
Viel wichtiger als die Konfrontation mit dem Trauma ist, dem Traumaopfer zu helfen, seinen Fokus nicht mehr nur ausschließlich auf das Problem, sondern vielmehr auf die positiven Aspekte seines Lebens zu richten, ihm also seine Ressourcen bewußt zu machen oder sie zu entwickeln und damit seine Selbstheilungskräfte zu fördern. Das geschieht jedoch nicht von heute auf morgen. Obwohl systemische Therapeuten die Kurzzeittherapie bevorzugen, gelten für schwer traumatisierte Menschen andere Maßstäbe. Der Therapieprozeß kann lange dauern, manchmal sogar Jahre.
Da sich die Traumatherapie in erster Linie mit den Ressourcen der Betroffenen befaßt, gehört sie zu den „lösungsorientierten Therapien“. Aus diesem Grund bietet sich die Systemische Psychotherapie geradezu als Weg zur Heilung an. Auch wenn systemische Psychotherapeuten betonen, daß sie gut ohne die allgemein übliche Klassifizierung der Symptome arbeiten können und diese häufig sogar ablehnen, habe ich mich ganz bewußt dafür entschieden, die klinischen Begriffe beizubehalten. Der systemischen Arbeit wird damit sicher nicht geschadet und gleichzeitig gibt es eine gemeinsame Verständnisebene mit Therapeuten anderer Ausrichtung. Im Endeffekt nutzt dieses Vorgehen den Klienten, und das allein ist wichtig.
Obwohl sie natürlich über ganz spezifische Werkzeuge verfügt, sind es doch nicht ihre Techniken, die die Systemische Psychotherapie ausmachen: Es ist vielmehr die ganz andere Art, die Welt zu begreifen, die sie mit anderen modernen Wissenschaften wie zum Beispiel der Kybernetik teilt, nämlich der Erkenntnis, daß den unzähligen Einzelaspekten, aus denen sich lebendige Systeme zusammensetzen, übergeordnete Prinzipien oder, wie Gregory Bateson es nennt, „ Metamuster “zu Grunde liegen. Hermann Hesse faßte diesen Ansatz übrigens in seinem Buch „Glasperlenspiel“ noch vor Entdeckung der Systemtheorie in Worte. Die Grundsätze der Systemtheorie gelten auch für die Psyche. Den übergeordneten Prinzipien oder Metamustern lassen sich Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen, aber auch Symptome logisch zuordnen. Wir sind daher davon überzeugt, daß alles, was ein Mensch tut, einen Sinn, einen psychologischen Nutzen für ihn hat, wobei wir die Sichtweise, daß jemand mit seinem Symptom einzigund allein nur Aufmerksamkeit erregen will, nicht teilen. Wir sind im Gegenteil davon überzeugt, daß die allermeisten Menschen ihr Bestes geben und sich mit ihren Symptomen und Verhaltensweisen in erster Linie vor Schlimmerem schützen. Wenn es uns gemeinsam mit dem Klienten gelingt, das seinen Beschwerden übergeordnete oder allem zu Grunde liegende Muster zu entschlüsseln, kann er das nicht mehr passende Verhalten schrittweise in ein dem aktuellen Kontext angemesseneres verwandeln.
Vom Familien-Stellen nach Bert Hellinger, der von mißbrauchten Frauen in seinen Aufstellungen zuweilen verlangt, sich vor dem Täter zu verneigen oder der Mutter zu sagen: „Ich hab es gern für dich getan, liebe Mama!“, raten wir dringend ab. Hier findet eine erneute schlimme Traumatisierung der betroffenen Frauen statt, was wir durch eigene Erfahrungen mit von ihm oder seinen Nachahmern Geschädigten oft genug erlebt haben. Zumindest sollte man, wenn man nach Hellinger aufstellen will, die Therapeuten sehr gut prüfen. Im übrigen ist Bert Hellinger katholischer Priester und kein systemischer Therapeut und das von ihm modifizierte Familien-Stellen keine systemische Intervention!
Dieses Buch ist so aufgebaut, daß es nicht nur als Begleitbuch für Teilnehmer der Fortbildungskurse des Instituts für Systemische Psychotraumatologie genutzt werden kann, sondern auch interessierten Fachleuten und Laien einen Überblick über das Phänomen Trauma gibt. Ich beginne mit einem Überblick der Geschichte der Traumaforschung, um für das Phänomen des Gedächtnisschwundes in der
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