Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
manövrierunfähigen
Brigg, die noch mehr Schlagseite bekommen hatte, seit die
dreiundvierzig überlebenden Sklaven, das Schiff verlassen hatten.
Wieder bekam er keine Antwort. Edan starrte nur schweigend auf die
dunkle See.
„Ihr seht verdammt müde aus!“, sprach Bewembe
unverdrossen weiter und offenbarte schonungslos, was Edan längst
schon Bauchschmerzen bereitete. Er wusste selbst, dass er dringend
Schlaf brauchte. Er war völlig übermüdet und entkräftet, von den
vorangegangenen Tagen und Nächten. Sein Körper schrie nach
Erholung, aber er konnte sich jetzt keine Schwäche leisten.
„Vor
allem, wo wollt Ihr mit uns hin? Etwa nach Kuba? Keiner von uns
Schwarzen versteht was vom Segeln! Ein paar von uns können zwar
kämpfen, aber gegen diese Horde weißer Affen, haben wir auf Dauer
keine Chance. Sobald die einen Weg nach oben finden, ist es nur noch
eine Frage der Zeit, bis sie uns überwältigen!“
Ungerührt
von der drohenden Gefahr, schlug Bewembe voller Genuss seine
kräftigen, weißen Zähne in das saftige Fleisch einer weichen
Papaya, die er sich vor wenigen Minuten aus einem der
Lebensmittelfässer gefischt hatte, die noch immer ungesichert auf
dem Midship-Deck herumstanden. Der Saft lief ihm über die grinsenden
Mundwinkel, und tropfte ihm auf die nackte Brust.
„Ihr steckt bis zum Hals
in der Scheiße, Commander! In verdammt tiefer, verdammt schwarzer
und gewaltig stinkender Scheiße!“ Angesichts der Doppeldeutigkeit
seiner treffenden Worte, begann der junge schwarze Hüne unbekümmert
zu grinsen. Die lebensbedrohliche Situation schien ihn nicht weiter
zu beunruhigen. Dafür hatte er einfach schon zu oft auf der Schippe
des Teufels gesessen.
Edan lehnte rücklings an der Reling und
fuhr sich mit seinen Fingern schweigend durch die dunklen Haare. In
seinem Gehirn kreisten die Gedanken. Er wusste selbst, dass er bis
zum Hals in der Scheiße steckte und seine Chancen, den nächsten Tag
lebend zu überstehen, gleich null waren. Dennoch bereute er nicht
eine Sekunde lang, die Sklaven gerettet zu haben. Statt Reue, fühlte
er große Erleichterung. Zum ersten Mal seit Tagen war ihm nicht mehr
ganz so unwohl in seiner Haut. Er hatte vierzig Leben gerettet! Auch
wenn es nur Sklaven waren und die getöteten Kameraden dadurch nicht
wieder lebendig wurden – tief in seinem Innern wußte er, dass er
richtig gehandelt hatte. Dafür war jetzt sein eigenes Leben keinen
Pfifferling mehr wert. Als Meuterer, hatte er vielleicht nur noch
Stunden zu leben. Selbst wenn es ihm irgendwie gelänge, lebend nach
Kuba zu fliehen, so bliebe ihm doch der Rückweg nach England für
den Rest seines Lebens versperrt. Pickett würde bei seiner Rückkehr
nach England dafür sorgen, dass er in Abwesenheit zum Tode
verurteilt würde. Seit diesem Nachmittag war er, Edan Chandler,
Viscount of Truro, ein Vogelfreier, ein Staatenloser. Das Betreten
von englischem Boden oder einer englischen Kolonie, wäre sein
sicheres Todesurteil.
Aber das war im Moment sein
geringstes Problem. Bis jetzt hatte er nicht die leiseste Ahnung, wie
er es überhaupt bis nach Kuba schaffen sollte. Um dorthin zu
gelangen, brauchte er die Mannschaft – aber diese war klar gegen
ihn. Sie waren noch gut einen Tag von Kuba entfernt, und das auch nur
bei gutem Wind. Er brauchte verflucht nochmal jeden Mann, um das
Schiff sicher steuern zu können. Aber wie sollte er eine zahlenmäßig
so große Mannschaft rund um die Uhr bewachen und in Schach?
Edan
war todmüde. Seine Knochen schmerzten. Er wusste, früher oder
später würde sein Körper den Dienst verweigern und er im Stehen
einschlafen. Er hatte keine Hilfe, außer diese halbverhungerten,
schwarzen Sklaven, deren grösstes Interesse darin bestand, sich die
aufgeblähten Bäuche voll zu schlagen.
„Ihr habt keine Chance,
Commander!“, meldete sich Pickett leise und hämisch zu Wort. Der
Captain hatte dem Treiben seit geraumer Zeit schweigend zugesehen und
wusste nur zu gut, um Chandlers Dilemma.
„Gebt auf, Commander,
bevor es zu einem großen, sinnlosen Blutvergießen kommt! Ihr habt
schließlich erreicht was Ihr wolltet. Die Schwarzen sind am Leben
und an Bord der Royal Sun! Gebt auf! Bevor alle sterben und Ihr
völlig umsonst Kopf und Kragen für diese Affen riskiert habt!“
Der Captain hatte es sich bequem gemacht, soweit es ihm die Taue
erlaubten, mit denen er an den Besanmast gefesselt worden war. Sein
Kopf ruhte selbstgefällig an dem großen Holzmasten, während er
hämisch und siegessicher zu
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