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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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willst du von mir hören? Es ändert ja doch nichts! Aber gut. Ja , Liebling, wir stehen im Stau , und ja, wir hätten den Verkehr möglicherweise umgehen können, wenn wir gestern schon gefahren wären, denn all die Leute rund um uns herum scheinen Ferien und dasselbe Ziel zu haben, als gäbe es nirgends sonst in der Schweiz Schnee. Zufrieden?“
    „Nein. Und dein genervtes Augenrollen habe ich genau gesehen. Das kannst du dir sparen, sonst ist dies das letzte Mal, da ss wir zusammen in die Ferien fa hren. Hast du das verstanden?“
    Marc schob sich seine grosse goldumrandete Brille zurück auf die Nase nwurzel . „Liebes, nicht schon wieder. Solche Drohungen solltest du lassen, vor allem, wenn auch die Kleine dich hören kann.“
    Um sich bei ihrer Tochter für ihre Aussage zu entschuldigen, schaute sich Verena zu ihr um . D er Schrei blieb ihr im Hals stecken. Als Marc den entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht seiner Frau sah, war die Zankerei vergessen. Hastig riss er den Rückspiegel hin und her, aber alles was er zu sehen bekam, war eine leere Rückbank. In aller Eile löste er den Sicherheitsgurt und sprang aus dem Auto. Weil er einfach den Fuss von der Kupplung nahm , starb der Motor mit einem kleinen Satz ab. Aber er bemerkte es überhaupt nicht. Panisch rief er nach Leonie, aber er erhielt keine Antwort. Innert kürzester Zeit war er vollkommen durchnässt. Das Wasser tropfte ihm unaufhörlich von sein em dunklen, leicht gewellten Haar ins Gesicht . Zwischen den im Schritttempo rollenden Autos schlüpfte er hindurch, stützte sich auf Motorhauben und zuckte nicht zurück, wenn jemand in ihn hineinrollte. Wütende Fahrer kurbelten die Fenster hinunter und brüllten ihm nach . S einen stehenden Wagen versuchte man mit wilden Hupkonzerten beiseite zu zwingen. Verena war inzwischen ebenfalls ausgestiegen. Sie hätte den Ford wegfahren können, hätte sie nur den dämlichen Führerschein gemacht. So stand sie nur hilflos weinend daneben , während ihre perfekte Dauerwelle dem Regen nach und nach zum Opfer fiel. Bis dann auf einmal ein Ruf aus vermeintlich weiter Ferne an ihr Ohr drang.
    „Ich habe sie! Ich hab sie!“
    Durch einen dichten Schleier ihrer mit Regen vermengten Tränen nahm sie schemenhaft eine Gestalt war . W agemutig kam sie durch die unerbittlich hupenden Blechmonster auf Verena zu . In den Armen ein nasses Bündel mit einer Puppe in der Hand.
    „Ich wollte Lilli doch nur den Regenbogen aus der Nähe zeigen!“
    Verena wischte sich die Augen trocken , und tatsächlic h : Ü ber der grünen Wiese am Rande der Autobahn riss die Wolken decke auf und gab die Sicht auf den sonnendurchfluteten Himmel frei . Sein Leuchten brach sich im nassen Vorhang über der Autobahn in Form eines schillernden Regenbogens. Verena versagte die Stimme , aber das war egal. Worte hätte sie sowieso keine gehabt . A lso schloss sie ihre kleine Tochter einfach nur in die Arme und stieg schweigend , aber überglücklich, dass nichts Schlimmeres geschehen war, zurück ins Auto. Doch anstatt den Platz neben ihrem Mann einzunehmen, setzte sie sich auf die Rückbank, von der sie sich bis an s Ziel nicht mehr wegzubewegen gedachte.
     
     

2010
     
    „Leo, alles klar bei dir?“ Sören, der schwedische Student mit den blausten Augen, die Leonie je gesehen hat te , holte sie mit einem freundschaftlichen Hieb gegen ihre Schulter zurück in die Realität.
    Etwas verwirrt versuchte sie die bedrückenden Gedanken abzuschütteln. „Klar, ich bin nur etwas durcheinander.“ Mit einem Blick über ihre Schultern schenkte sie Sören ein halbherziges Lächeln und musste enttäuscht feststellen, dass sein bezauberndes Funkeln von einer grossen, silbern verspiegelten Piloten sonnenbrille verdeckt wurde.
    „Deine Mutter hat angerufen, stimmt’s?“
    Mechanisch blickte Leonie auf ihre Hand, mit der sie immer noch das Mobiltelefon festhielt. „Sie hat wieder einen schlechten Tag. Als ich ihr sagte, dass ich nicht vorbeikommen kann, hat sie mir wieder einmal alle Schande an den Kopf geworfen. Ich glaube, sie hat nicht einmal gemerkt, dass ich das Gespräch schon lange unterbrochen habe.“
    „Meinst du, sie spricht jetzt immer noch?“
    Ein kleines Schmunzeln huschte über Leonies Gesicht. „Vielleicht.“
    Sören trat noch einen Schritt näher an sie heran und legte vertraut den Arm um ihre Schultern. Mit dem Daumen streichelte er sanft über ihre Wange. „Komm, gehen wir zurück an die Arbeit. Die Bar ist gestossen voll, da können

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