Wenn die Wahrheit nicht ruht
besorgt aufhorchen. „Natürlich!“ Ohne Umschweife zog Angela Leonie ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Knapp fünfzehn Minuten später trat Sebastian in die Bar. „Willst du das wirklich tun?“ Sascha stellte einige Gläser in den Korb und schob ihn dann in die Geschirrspülmaschine.
„Schätze schon.“ Sebastian stellte die Tasche neben sich und plauderte noch solange mit Sascha , bis die Bar öffnete. Womit er nicht gerechnet hatte, war Leonies Stimme vom Eingang her zu hören. Noch bevor sie in die Bar eintrat, rutscht er vom Hocker und stahl sich durch die Hintertür davon.
Aber er war nicht schnell genug. Leonie erhaschte eben noch einen Blick auf sei nen Rücken und auf die grosse Reisetasche auf seiner Schulter . Plötzlich hatte sie einen Kloss im Hals, den sie nur mit Mühe hinunterschlucken konnte. A ber wieder tat sie nichts, um Sebastian aufzuhalten.
Am Busbahnhof stellte Sebastian die Tasche vor seine Füsse und wartete das nächste Postauto ab, das ins Tal fuhr. Das Postauto traf schliesslich ein, fuhr um die kleine Post herum und kam auf dem Platz zu stehen . Er warf die Tasche in den Bauch des gelben Busses und ging auf die v ordere Tür zu.
Einen Fuss hatte er bereits in die Tür gesetzt, als er den Blick zum Abschied in Richtung des Dorfes hob und direkt in zwei traurige grüne Augen sah. Er wandte den Blick ab und wollte dem wartenden Fahrer das Geld geben. Da hielt er inne. Sich selbst verfluchend biss er auf die Unterlippe, zog das Geld zurück und trat noch einmal auf den Platz, d ie Tür des Postautos wie einen Rettungsanker festhaltend.
„Was glaubst du eigentlich, wo du hin willst?“
„ Weg. Hast du etwa was dagegen? “
Sie öffnete den Mund und klappte ihn dann wieder zu.
„Verstehe.“ Er warf ihr noch einmal einen langen Blick zu, dann stieg er wieder in das Postauto ein und drückte dem ungeduldig auf dem Lenkrad herumtrommelnden Busfahrer das nötige Kleingeld in die Finger. Die Türen schlossen sich hinter ihm und der Bus setzte sich in Bewegung . Leonie blieb an der Haltestelle zurück. Dass sie nicht alleine war, hatte sie schon lange bemerkt.
Jetzt krochen ihre heimlichen Beobachter aus den schlechten Verstecken. „Es tut mir so leid.“ Angela schlang die Arme um ihre Freundin. „Allerdings hättest du die drei kleinen Wörtchen auch einfach sagen können. Das hätte bestimmt geholfen .“
Sascha pflichtete Angela mit heftigem Kopfnicken bei und legte tröstend seine Hand auf Leonies Schulter. „Oder du hättest ihn zumindest bitten können, zu bleiben“, mischte er sich dann eifrig ein.
„Nein. Ich habe nicht das Recht ihn zurückzuhalten. Für mich lagen alle Antworten, deren Suche mich rastlos umherirren liessen , hier in diesem Dorf. Ich kann zur Ruhe kommen. Für ihn ist ein lebenslanges Vertrauen in den Grundfesten erschüttert worden. Sein Zuhause ist ihm plötzlich fremd. Zuerst müssen die Säulen wieder zurechtgerückt werden – und alles meinetwegen. Wie kann ich da erwarten, dass er hier bleibt, bei mir?“
„ Das wäre doch ein Anfang gewesen .“
Alle drei fuhren gleichzeitig herum. Der Schreck wandelte sich umgehend in Erstaunen. Und bei sicher zwei der drei Anwes enden schlug die Gefühlslage in belustigte Rührung um. Als hätten sie es abgesprochen , traten Sascha und Angela einen Schritt zurück. Leonie beäugte die Gestalt im Licht der Strassenlaterne skeptisch. Lässig lehnte er an einem eiförmigen , weissen Auto.
„ Ist das mein…? Aber du bist in den Bus eingestiegen! “
„Und einige Stationen weiter wieder ausgestiegen.“
„Aber… Mein Auto? Das gehört doch jetzt Pablo! Wie kommt es denn wieder hierher? Und deine grosse Tasche? “ Heillos durcheinander stand Leonie da und brachte keinen schlauen Satz auf die Reihe. Hilfesuchend sah sie sich nach den beiden anderen um. Grinsten sie etwa? Als sie sich wieder zu Sebastian drehte, umspielte auch seine Lippen ein Lächeln.
„Ach, ich hab i hm das Auto wieder abgeschwatzt. “ Er stiess sich von dem kleinen Gefährt ab und trat einen Schritt auf sie zu.
„Aber warum?“
„Weil du eines brauchst und bei dem Lohn, den du von Sascha , oder eher von mir, bekommst , und die Miete, die dir Angela für ihre Zweitwohnung abknöpft, muss dieses hier fürs E rste reichen .“
„Und deine grosse Tasche?“
„ Da sich mein Vater trotz aller Verletzungen nicht im Krankenhaus behandeln lässt, dachte ich, ich zieh wenigstens für eine Weile bei ihm ein
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