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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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verlor ihr Auto den Halt und rutschte unkontrolliert nach links weg. Doch der Fluch war gleichzeitig auch ihr Glück. Denn das Wechselspiel zwischen abendlichem Schneefall und Tauwetter tagsüber hatte die Strasse nicht nur in eine Eisfläche verwandelt, sondern es hatte auch genug Schnee in der perfekten Konsistenz gebracht , so dass das Ovalium so weich in einer Mauer aus dem weissen Pulver landete , dass es nicht den geringsten Schaden nahm. Allerdings bereitete es Leonie nach diesem kleinen Zusammenstoss einige Mühe, ihr Auto auf den Weg zurückzubringen , nur um dann im nächsten Moment in eine der tiefen Fahrrinnen zu geraten, denen die Strasse durch die Belastung von Motorfahrzeugen, Wind und Wetter zum Opfer gefallen war. Dies hatte den Vorteil, dass sie den Rest des Weges , der nach wie vor eine einzige Schlittschuhfahrt war, zumindest besser in der Spur bleiben konnte. In der Tiefgarage angekommen, stellte Leonie das Auto schliesslich auf dem ihr zugewiesenen Parkplatz ab. „Das hast du toll gemacht. Für diese eiskunstläuferische Meisterleistung hast du mindestens eine Zehn verdient. Katharina Witt wäre erblasst vor Neid.“ Liebevoll tätschelte sie das weisse Leder des Lenkrads, stieg aus und wandte sich dem Kofferraum zu. Einmal mehr beglückwünschte sie sich, dass sie ihr ganzes Hab und Gut in einer grossen Sporttasche verstauen konnte. Denn mehr hätte ohnehin nicht in den kleinen Stauraum ihres Cinquecento gepasst. Die Tasche geschultert , spazierte sie zur Rezeption des Hotels, welches für die nächste Zeit ihr Zuhause sein würde.
     
     

1986
     
    Schon seit einigen Stunden stand die Bahn still. Die letzten Skifahrer waren schon lange weitergezogen und hatten den Berg der Dunkelheit der Nacht überlassen . Wie kleine Geister fügten sich die schemenhaften Schatten der Kabinen der eisigen Hand des Windes. Nur die kleinen Lichter der Pistenfahrzeuge, die hie und da über den Berg huschten , liessen erahnen, dass der mit H olz verkleidete B au am nächsten Morgen wieder zu vollem Leben erwachen würde, erfüllt von klappernden Skiern, Kindergeschrei und voller Vorfre ude plaudernden Wintersportlern. Doch obwohl sie es verdient hätte, konnte sich die Station noch nicht ganz der nächtlichen Ruhe hingeben. Wä hrend der gelbliche Schein der Tischlampe die flink arbeitenden Hände gut zu beleuchten vermochten, verschmolz der Rest des Rumpfes beinahe gänzlich mit dem Schatten des Raumes. Immer schneller konnte Ambros die Geldkassette wieder an ihren rechtmässigen Platz legen, da er nach und nach eine gewisse Routine im Abzählen, Stapeln und Falten der blauen , grünen , hellblauen und rotbraunen Geldscheine gewann. Darüber war er nicht ganz unglücklich. Normalerweise machte es ihm nicht s aus, nachdem alle gegangen waren, alleine in der Station zurückzubleiben und die Tageskasse abzurechnen . S chliesslich hatte er es sich so ausgesucht , damit er mit dem kleinen Zusatzverdienst genug Geld anhäufen konnte , um beim Vater seiner geliebten Alina um deren Hand anhalten zu können . Heute aber war es anders. Schon die ganze Zeit über hatte er das Gefühl, nicht ganz so alleine zu sein, wie er es sein sollte. Aus Angst, jemand U nwillkommenes auf sich aufmerksam zu machen, während er alleine Unmengen an Geld zählte, gab er seinem Impuls , das grosse Licht ei nzuschalten nicht nach. Stattdessen packte er wie immer die Kasse zurück, bedacht darauf, dass alles so aussah, wie es die Angestellten verlassen hatten, als er aus dem hinteren Teil des Raumes plötzlich ein dumpfes Geräusch vernahm .
    Das war zuviel für Am bros. Seine Vorsicht vergessend, steckte er die Kasse in Windeseile zurück in die Schublade, schloss diese ab, schnappte sich das fein säuberlich ab gezählte Geld vom Tisch und steckte es in einen Beutel. Während er sich umdrehte , löschte er die Tischlampe. Er eilte durch den Raum, immer auf die Tür zu. Verheissungsvoll schimmerte das Mondlicht unter dem Türrahmen hindurch. Beinahe war er am Ziel, als sich plötzlich etwas bedrohlich Dunkles vor das sanfte Licht schob . Abrup t blieb Ambros stehen. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Rippen und seine Kehle wurde staubtrocken. Es dauerte nur einige Sekunden. Ein Blitz zuckte durch seinen Kopf und während er zu Boden sank, lauschte er noch dem Rauschen seines eigenen Bluts, bevor es ganz still wurde.
     
    Der Versuch , die Augen zu öffne n , scheiterte kläglich. Zu grell war das Licht, das ihn mitten in sein Gesicht

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