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Wenn du lügst

Wenn du lügst

Titel: Wenn du lügst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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aber ich bin in den Akten auf eine Notiz zu der Vernehmung gestoßen, deshalb habe ich Daryl nach dem Mädchen gefragt. Das ist alles. Das Ganze ist aussichtslos. Da ist nichts mehr zu machen.« Hinter ihm, ein Stück den Strand hinunter, sah ich im Nebel neben dem Steg einen Mann auf einem Stein sitzen. Vermutlich Charlie. Lieber Himmel, was hatte er zu dieser Stunde hier draußen zu suchen?
    »Woher weiß ich, dass Crystal wirklich tot ist?«, fragte Leroy.
    »Keine Ahnung. Aber das ist die Geschichte, die man mir erzählt hat. Crystal war drogenabhängig und ist vermutlich an einer Überdosis gestorben.«
    »Crystal ist zusammen mit ihrer Mutter nach Seattle gezogen«, sagte Leroy. »Wo ist die jetzt?«
    »Ihre Mutter? Woher soll ich das wissen? Ich habe in den Akten keinen Hinweis auf Crystals Mutter gesehen. Vielleicht ist sie inzwischen auch gestorben, oder sie könnte nach Texas zurückgegangen sein. Das alles ist lange her.«
    Leroy ließ das sacken, dann wechselte er das Thema. »Daryl sagt, Sie versuchen, ihn im Gefängnis zu halten.«
    »Wie das Ganze ausgeht, interessiert mich nicht«, sagte ich. »Ich bin eine unabhängige Gutachterin. Manchmal bin ich der Überzeugung, dass Straftäter die gesetzlichen Kriterien erfüllen, um in Haft zu bleiben, und manchmal nicht. Es tangiert mich auf keine Weise persönlich. Tatsächlich ist es sogar so, dass Daryl die Kriterien nicht erfüllt. Er wird pünktlich entlassen werden. Jetzt habe ich Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Wo ist Lily?«

    »Wer zur Hölle ist Lily?«, fragte Leroy grinsend. Er hob die Waffe und richtete sie auf mein Gesicht.
    »Was tun Sie da? Sie haben keinen Grund, mich zu töten.«
    »Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun«, entgegnete er. »Abgesehen davon« - er grinste wieder - »muss ich hin und wieder jemand umbringen, nur um die Leute daran zu erinnern, wer ich bin.«
    Über seine Schulter sah ich Charlie von hinten auf ihn zukommen. Oh lieber Gott, lass nicht auch noch diesen armen, alten Mann erschossen werden.
    »Da ist jemand hinter Ihnen, Leroy«, sagte ich. »Es ist nur ein harmloser, alter Mann. Lassen Sie ihn einfach gehen.«
    Leroy wirbelte herum und zielte mit der Waffe auf Charlie.
    Charlie sah die Waffe, blieb stehen und starrte Leroy an. »Das bringt doch nichts, Käpt’n«, sagte er. »Hab nix Falsches getan. Sie lassen mich jetzt einfach in Frieden. Wir sind bald am Beaufort-Zufluss. Nen besseren Steuermann als mich hab’n Sie nicht. Wenn Sie sich von Abe reinbringen lassen, können Sie von Glück reden, wenn das alte Schiff nicht auseinanderbricht. Lassen Sie mich einfach meine Arbeit tun.«
    Charlie war gekleidet wie immer, in alte Hosen und ein schmutziges T-Shirt, aber in dieser Nacht trug er außerdem ein rotes Tuch um seinen Kopf. Am Tag sah er einfach nur arm und ungepflegt aus, aber in der Dunkelheit, in dem schwachen Schein des bedeckten Mondes und dem Nebel, der über den Strand kroch, wirkte er wie eine dem Sumpf und den Dünen entsprungene
Schauergestalt. Als er sprach, fuhr mir ein Schauder über den Rücken, obwohl ich wusste, wer er war.
    Er muss auf Leroy die gleiche Wirkung gehabt haben, denn ich sah, wie er taumelnd einen Schritt nach hinten machte. Ihm schien es die Sprache verschlagen zu haben, und er ließ die Waffe wieder an seine Seite sinken.
    Ich wich langsam rückwärts ins Wasser zurück. Vielleicht hatte Charlie Leroy aus der Fassung gebracht, aber es würde nicht lange dauern, bis er begriff, dass Charlie nur ein verrückter, alter Mann war, und er ihn ebenfalls töten würde. Ich konnte Leroy nicht aufhalten, indem ich mich auf ihn stürzte. Er war größer und schneller, und er hatte eine Schusswaffe. Aber vielleicht konnte ich ihn ablenken. Ich wich weiter ins Wasser zurück, wobei ich Leroy nicht aus den Augen ließ, der noch immer Charlie anstarrte. Als ich bis zu den Oberschenkeln drinnen war, wollte ich gerade untertauchen, als ich von einer riesigen Hand zurückgerissen wurde, die so kraftvoll war, dass sie mir den Atem aus den Lungen presste. Eine Unterströmung hatte mich ergriffen. Ich war ringsum von schwarzem Wasser umgeben und spürte, wie ich schnell ins Meer hinausgezogen wurde. Als ich wieder auftauchte, war der Strand bereits ein gutes Stück entfernt, und ich sah, wie Leroy auf mich zugerannt kam. Charlie stand noch immer aufrecht da, Leroy hatte ihn nicht erschossen.
    Ich sah Leroy anschließend in kurzen Schnappschüssen, jedes Mal, wenn ich mich wieder an die

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