Wenn du lügst
er langsam. »Ich rufe wegen Daryl Collins an. Es gibt da ein paar Informationen, die Sie vielleicht gern hätten.«
Ich ließ mich auf die Couch sinken. »Lassen Sie die Spielchen, Leroy. Ich erkenne Ihre Stimme.« Ich hielt das Telefon jetzt mit beiden Händen und presste es an mein Ohr, als könnte ich durch die Leitung zu ihm gelangen. »Sie sollten diesem Kind besser kein Haar krümmen. Falls Sie jemals irgendwelche Informationen von mir bekommen wollen, dann lassen Sie die Finger von Lily.«
Dieses Mal war die Pause länger. »Ich werde ihr nichts tun, wenn ich kriege, was ich haben will«, sagte er schließlich.
Ich hatte meine Hand nun an meiner Stirn und die Augen geschlossen, um seine Stimme besser sehen zu können. Sie hatte sich keinen Deut verändert, als er versprach, dass er Lily nichts tun würde. Er sagte die Wahrheit. Darauf würde ich wetten.
»Wo ist sie?«
»Was haben Sie für mich?«
»Was wollen Sie?«
»Wenn Sie schon so viel wissen, dann wissen Sie bestimmt
auch, was ich will. Ich will wissen, was da vor sich geht. Warum stochern die Cops plötzlich wieder in der Sissy-Harper-Sache rum?«
»Das ist kein Problem, Leroy. Die Information ist mir egal. Ich will Lily zurückhaben. Solange sie unverletzt ist, werde ich Ihnen sagen, was auch immer Sie wissen wollen.«
Seine Stimme klang beinahe amüsiert über meine schnelle Kapitulation. »Ich hab ihr nichts getan«, sagte er aalglatt. Wieder veränderte sich die Beschaffenheit seiner Stimme nicht. Ich öffnete die Augen.
»Also dann«, sagte ich. »Was wollen Sie wissen?«
»Ich möchte persönlich und unter vier Augen mit Ihnen sprechen. Meine Mutter hat keinen Dummkopf großgezogen, der am Telefon über Geschäftliches quatscht.«
»Wo und wann?«, fragte ich. »Und bringen Sie Lily mit«, fügte ich hinzu.
»Ich glaube, ich war noch nie am Strand. Bestimmt kennen Sie ein nettes, ruhiges Plätzchen, wo uns keiner stört.«
Ich dachte einen Moment lang über einen Treffpunkt nach. Warum nicht? »Ich weiß eine Stelle«, sagte ich und erklärte ihm, wie er dorthin kam. »Falls Sie es nicht finden können, fragen Sie irgendwen. Es ist da, wo Blackbeard früher seinen Schlupfwinkel hatte. Jeder kennt das.«
»In Ordnung«, sagte er. »Ich sehe Sie dann gegen Mitternacht.«
»Was? Mitternacht? Kommen Sie schon, Leroy. Welchen Sinn hat es, zu warten? Sie wollen die Information. Ich will Lily. Wir können uns jetzt treffen.«
»Heute Nacht ist früh genug«, sagte er ruhig. »Tagsüber schwirren zu viele Touristen rum. Ich will niemand in der Nähe haben, wenn ich Geschäftliches berede. Ich sage Ihnen jetzt, was Sie tun werden: Sie hängen das Telefon aus und schalten das Handy ab. Sie reden mit niemand, hören Sie? Sie reden mit niemand und treffen niemand. Ich behalte Sie im Auge. Ich sehe Ihr Haus von da, wo ich bin, und ich werde es wissen, wenn Sie rausgehen. Ich werde Ihre Nummer anrufen, um zu überprüfen, dass belegt ist. Sie wollen doch sicher nicht, dass jemand wegen Ihrer Dummheit stirbt.«
»Auf keinen Fall.«
»Sie bleiben einfach zu Hause und machen sich einen netten Tag. Wir sehen uns gegen Mitternacht. Und«, fügte er hinzu, »erinnern Sie sich an das, was ich gesagt habe. Denken Sie noch nicht mal daran, die Polizei einzuschalten. Ich hab Lily noch nichts getan, und das werd ich auch nicht, wenn Sie allein kommen.«
Ich legte das Telefon weg und ließ mit geschlossenen Augen den Kopf nach hinten auf die Sofalehne sinken. Wie zur Hölle hatte er sie aus dem Haus bekommen? Das war nicht möglich. Enttäuscht von Mandy oder irgendetwas in der Art musste sie zu einem Spaziergang aufgebrochen sein, und er hatte sie geschnappt. Ich bemerkte meine Tränen erst, als ich ein Taschentuch brauchte. Langsam stand ich auf. Warum wollte Leroy mich mitten in der Nacht an einem derart verlassenen Ort treffen? Es gab keine gute Antwort darauf, aber das einzig Wichtige war, dass er Lily nichts antun würde. Das Aussehen einer Stimme lässt sich nicht manipulieren, und Leroys war weder blechern geworden, noch hatte
es auch nur die geringste Veränderung in ihrer Textur gegeben.
Ich ging zum Fenster und überlegte, wo Leroy wohl sein mochte, dass er das Haus sehen konnte. Der Himmel war noch immer von einem alles umschließenden Blau, und die hellgelbe Scheibe knapp über dem Horizont schien zu signalisieren, dass Gott in seinem Himmel weilte und mit der Welt alles in Ordnung war. Aber nichts war in Ordnung. Der Tag hatte mich
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