Wenn ein Maerchenprinz heiraten will
Ausstrahlung und fühlte sich ganz klein. Sie schaute sich um, nahm die mondbeschienene Landschaft aber gar nicht richtig wahr. Alles nur, um ihn nicht anzusehen.
Ein wenig fühlte sie sich wie ein zehnjähriges Kind, das seinen Lehrer beeindrucken wollte und sich dabei lächerlich gemacht hatte. „Das habe ich jetzt wirklich gebraucht“, platzte sie heraus.
„Was denn?“, fragte er unter seinem imposanten Gesichtsschleier, und es schien ihr, als lächelte er dabei. „Die frische Nachtluft? Oder die Tatsache, dass Sie aufdringlichen Verehrern und ungeschickten Kellnern entkommen sind?“
Sein Akzent war eindeutig britisch geprägt, nicht amerikanisch. Man konnte eine hohe Bildung, Vornehmheit und Selbstbeherrschung in seiner Stimme heraushören. Und seinem Tonfall war zu entnehmen, dass Englisch nicht seine Muttersprache war, so perfekt er sie auch beherrschte. Allerdings konnte sie auch nicht heraushören, woher er tatsächlich kam. Auf jeden Fall hörte er sich an, wie er aussah: exotisch, respekteinflößend, beeindruckend.
Dabei wusste sie ja eigentlich gar nicht, wie er aussah. Sie hatte nur einen kurzen Blick auf seine Kostümierung geworfen, in der er wirkte, als könnte er dem schlimmsten Sandsturm trotzen. Jetzt wagte sie nicht mehr, ihn genauer zu betrachten. Das würde sie sich wahrscheinlich erst wieder trauen, wenn er zu seiner weiblichen Begleitung zurückgekehrt war.
Denn er war bestimmt in Begleitung hier. Männer wie er – wenn es denn auf der Welt überhaupt noch andere Männer wie ihn gab – waren garantiert in festen Händen. Und eine Frau, die ihn erst einmal hatte, würde ihn bestimmt nicht kampflos aufgeben.
Sie seufzte. „Eigentlich meinte ich die Champagner-dusche.“
Hm, das war jetzt auch nicht besonders geistreich gewesen. Vielleicht sollte sie lieber gar nichts mehr sagen, bis er wieder seiner Wege ging. Sie lebte ja nicht ohne Grund wie eine Ausgestoßene. Die Kunst des gepflegten, nichtssagenden Small Talks war ihr völlig fremd. Sie war einfach nicht gut im Umgang mit anderen Leuten. Jedes Mal, wenn sie ungeschminkt ihre Meinung sagte, verärgerte sie die Leute – oder machte sie sich sogar zu Feinden.
In diesem Fall traf wohl beides nicht zu. Der Fremde musste sie inzwischen einfach für eine komplette Idiotin halten.
Sie wrang die Enden ihres Rocks aus, und noch immer kam Flüssigkeit heraus. Dann zog sie ihre Schuhe aus und leerte sie, um sie mit der Oberseite nach unten zum Trocknen hinzustellen.
Sollte er sie doch ruhig für eine Idiotin halten. Was zählte seine Meinung schon?
Dann hörte sie ihn plötzlich lachen, ein herzhaftes, tiefes Lachen, das zufällig auch noch von einem Cello-Solo aus dem Tanzorchester untermalt wurde. Und er lachte sie nicht aus, sondern lachte mit ihr, das spürte sie genau. Ihr wurde richtig warm ums Herz.
Lässig lehnte er sich an die Balustrade, sah sie an und sagte: „Champagnerdusche, das ist gut. Sie haben die Abkühlung also genossen? Auch wenn Sie jetzt für den Rest des Kostümballs in klebrigen und nassen Klamotten herumlaufen müssen? Und barfuß obendrein?“
„Ach, ich habe so geschwitzt, dass mein Kostüm über kurz oder lang sowieso durchnässt gewesen wäre“, sagte sie. „Der Champagner hat die Sache nur beschleunigt, also war es schon okay.“
„Darf ich fragen, warum eine so entzückend und kühl wirkende Elfe in dem vollklimatisierten Ballsaal so geschwitzt hat?“
Elfe? Das war ja wohl nicht gerade passend! Bei einem Meter siebzig Körpergröße und einem Gewicht von dreiundsechzig Kilo war sie zwar nicht dick, aber auch nicht unbedingt ein Federgewicht. Und warum nannte er sie „entzückend“? Wollte er sie in eine Falle locken? Wollte er, dass sie ihm offenbarte, dass seine Erscheinung sie total durcheinandergebracht hatte? Auf keinen Fall würde sie das tun!
„Vielleicht haben Sie ja eine eingebaute Temperaturregelung“, sagte sie dann, „ich jedenfalls nicht. Als ich den Ballsaal betrat, schlugen mir die Körperwärme und die Aufgeblasenheit von Hunderten von Leuten entgegen. Und dann haben Sie mich noch angesehen – und daraufhin wurde mir noch heißer.“
Oh nein, dachte sie. Halt bloß die Klappe, Farah.
Sie war immer viel zu offen und stieß die Leute damit vor den Kopf. Mit diesem Mann war es allerdings noch etwas anderes – er brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Aber jetzt war sowieso schon alles egal, schließlich hatte sie sich vor ihm schon komplett zum Affen gemacht.
Mit
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