Wenn Eltern es zu gut meinen
bist okay«-Eltern. Diese Eltern lassen ihren Kindern nicht nur zu viele materielle Dinge und Privilegien zukommen, erziehen sie nicht zur Verantwortung und loben sie über Gebühr, sie halten ihnen auch einen Zerrspiegel entgegen. Er besagt: »Du bist perfekt, weil du mein Kind bist.«
Die elterliche Idealisierung kann Jugendliche und junge Erwachsene fast süchtig danach machen, mit ihren Eltern zu kommunizieren. Mithilfe von Mobiltelefonen können College-Studenten mehrmals am Tag mit ihren Helikopter-Eltern in Kontakt treten. Wie Dr. David Landers vom Saint-Michael’s College berichtet, war die Verstrickung von Eltern und Kindern eines der größten Probleme, mit denen er als Leiter des Beratungszentrums am College zu tun hatte. Dr. Landers ist der Meinung, dass Eltern ihre Kinder benutzen, um ein
besseres Selbstwertgefühl zu haben. »Eine Mutter sagte mir am Telefon, dass ihre Tochter sie jeden Morgen um zehn Uhr eine halbe Stunde lang anruft, um sich über das College zu beklagen. Die Mutter wollte wissen, was sie tun könne, und ich riet ihr: ›Gehen Sie nicht ans Telefon.‹ Sie erwiderte: ›Aber sie ist doch so verzweifelt; und sie hat niemanden, mit dem sie reden kann.‹ Ich antwortete: ›Vertrauen Sie mir; sie wird jemand anderen finden. Vielleicht müssen auch Sie sich jemand anderen zum Reden suchen.‹«
Landers glaubt, dass ein Mangel an Wirklichkeitssinn das Problem dieser Helikopter-Eltern ist, die behütend über ihren Kindern schweben. Viele Heli kopter-Eltern »sind so mit dem Leben ihrer Kinder verstrickt, dass sie kein Eigenleben führen. Wenn ich heutigen Eltern einen Rat geben sollte, würde er lauten: ›Führen Sie Ihr eigenes Leben. Gehen Sie ins Kino, lesen Sie ein Buch, gehen Sie weg, damit Sie nicht immer telefonisch erreichbar sind. Es ist in Ordnung, dass Sie die Freunde Ihres Kindes sind, aber versuchen Sie nicht, seine besten Freunde zu sein.‹ Ich erlebe viele Mütter, die nicht nur die besten Freundinnen ihrer Kinder, sondern auch der Freunde ihrer Kinder sein wollen. Das ist seltsam. Kinder sind nicht dafür da, ihr Leben lang bei den Eltern zu bleiben!« Werden Kinder oder Eltern idealisiert statt geliebt, wird eine gesunde Beziehung durch Verzerrung und Verstrickung ersetzt. Wenn junge Menschen, die in einer solchen Verstrickung gefangen sind, sich auf den Weg machen, um eine Partnerbeziehung zu finden, geraten sie leicht in die Selbstwertfalle, weil sie nicht den Spiegel finden können, der ihnen die Botschaft gibt: »Du bist perfekt, weil du zu mir gehörst.«
In uns und unseren Kindern Normalität zu fördern und sie Gemeinsinn zu lehren, verbessert ungemein ihre Chancen, unrealistische Wünsche loszulassen und als Erwachsene ihre Partner zu lieben. Auf ihrem Weg zur Liebe müssen wir unseren Kindern die Notwendigkeit von Bescheidenheit, Toleranz und Selbstkorrektur vorleben und beibringen. Die Eltern-Kind-Bindung, die Bindung an einen Lebenspartner, die Geschwister- und Freundschaftsbindung, sie alle beruhen darauf, dass wir imstande sind, uns selbst realistisch einzuschätzen, insbesondere unsere Fehler und Grenzen. Mit zunehmender Autonomie und zur Vorbereitung auf die Liebe als Erwachsene müssen Kinder lernen, mit Kritik konstruktiv umzugehen und sich selbst zu überprüfen, um zu sehen, was wirklich los ist. Sie müssen das Wesen wahrer Liebe kennenlernen.
Das Wechselspiel der Liebe
Die gesamte Lebenserfahrung kann man als Ausdruck eines konstanten Wechselspiels von Expansion und Kontraktion betrachten. Unsere Atemtätigkeit, unsere Hoffnungen und Träume, die Ereignisse in der Welt, unsere Gesundheit und das Wetter sind nur einige Phänomene, an denen wir den Wechsel von Expansion und Kontraktion, von Fülle und Leere beobachten können. Einige Augenblicke im Leben sind erfüllend und vielversprechend, andere karg und frustrierend. Um uns, unser Leben und diejenigen, die wir lieben wollen, zu akzeptieren, müssen wir sowohl die Fülle als auch die Leere willkommen heißen. Das ist besonders schwierig beim Thema Liebe.
Die meisten Menschen definieren Liebe als erfüllendes Gefühl. Sie wünschen sich, dass sie warm, einladend und akzeptierend ist. Sie wollen eine Identifi kation mit dem geliebten Menschen empfinden. Aber wahre Liebe ist ambivalent - manchmal erfüllend und manchmal frustrierend -, weil sie mit der Bereitschaft einhergeht, einerseits die Schwächen des anderen zu tolerieren und zu akzeptieren und andererseits dem anderen die Freiheit zu
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