Wenn Eltern es zu gut meinen
hindert, zu viel Energie auf Protest oder Verzweiflung zu verschwenden. Das Leben muss weiter gehen. Wird ein Kind von seinen Eltern tatsächlich im Stich gelassen, geht das Leben nur auf sehr beschränkte Weise weiter, während der Schmerz der Trauer seine Wirkung entfaltet.
Wie wir alle wissen, ist Trauer eine Form von Depres sion, die auftritt, wenn wir jemanden verlieren, mit dem wir eng verbunden waren. 4 Unser Herz ist gebrochen, und es heilt nie mehr ganz, obwohl wir weiter leben und diese Erfahrung sogar in eine Quelle der Weisheit und Einsicht verwandeln können. Nachdem wir unsere Geschichte immer wieder erzählt haben, finden wir uns als Erwachsene vielleicht mit unserem Verlust ab; aber für Kinder kann Trauer einfach ein schrecklicher physischer und emotionaler Schmerz sein.
Sobald man eine emotionale Bindung eingegangen ist, hat man sich mit dem anderen identifiziert. Dann ist Trennungsangst die Folge, wenn die Bindung bedroht ist, und Trauer, wenn sie zerbricht. Selbst wenn wir die Zuneigung zum anderen verloren haben, empfinden wir Angst und Trauer beim Zerbrechen der Bindung. Eine Bindung ist nicht dasselbe wie Liebe. Wir können tatsächlich emotional an Menschen gebunden sein (beispielsweise Sexualpartner), die wir nicht einmal mögen. Es ist wichtig, die Macht der Bindung zu verstehen, ohne sie jedoch mit Liebe zu verwechseln.
Zu wissen, wie emotionale Bindung sich von Liebe unterscheidet, hilft uns zu verstehen, was bei einer Trennung von denen geschieht, an die wir gebunden sind (Eltern, Partner oder Kinder). Wenn ein Elternteil oder Kind sich ohne Vorwarnung entfernt oder plötzlich
verschwindet, erleben wir die Emotionen der Trennungsangst (Protest, Verzweiflung, Apathie). Wir denken daran, dass wir diese Person (bewusst oder unbewusst) »bestrafen« werden, wenn sie zurückkehrt. Die Trennungsangst motiviert uns, auf diejenigen loszu gehen, die uns verlassen; unser Wohlergehen ist mit dem ihren verquickt. Das erklärt, warum Eltern manchmal auf ein Kind, das verschwunden war, losgehen, sobald es zurückkommt.
In der langen Abhängigkeit der menschlichen Kindheit müssen wir uns in hohem Maße darauf verlassen können, dass unsere emotionalen Bindungen eine große Nähe zu denen garantieren, die für uns sorgen. Während Kinder aufwachsen - im Laufe ihrer ganzen Kindheit -, lernen sie zu lieben. Solange sie nicht wissen, wie man liebt, werden sie ihre Eltern idealisieren, sich mit ihnen identifizieren und an sie gebunden sein. Das ist keine Liebe.
Um einen anderen wirklich lieben zu können, müssen wir wissen, wer der andere ist - wir müssen die Unterschiede in unseren Antrieben, Fähigkeiten, Lebensweisen, Persönlichkeiten und so weiter wahrnehmen und akzeptieren. Kinder entwickeln diese Art von Wissen erst allmählich im Laufe der Entwicklung ihres Über-Ichs, das ihnen zu sehen erlaubt, wie sie anderen gleichen und sich von ihnen unterscheiden. Solange Kinder einen anderen nicht wirklich als getrenntes Wesen begreifen und anerkennen können, sind sie von Bindung und Idealisierung abhängig, um denen nahe zu bleiben, die sie brauchen.
Selbst bei Gleichaltrigen und Geschwistern stehen kleinen Kindern im Grunde nur zwei Arten der Wahrnehmung zur Verfügung: »wie ich« oder »nicht wie
ich«. Am Ende der Pubertät sind Kinder, wenn alles glatt verläuft, imstande, andere als eigenständige Wesen mit Unterschieden anzuerkennen, die sie interessant finden. Als Eltern steht uns eine Wahl offen, die ein heranwachsendes Kind nicht hat: Wir können unsere Kinder aufrichtig lieben und sie nicht nur idealisieren, bewundern oder an sie gebunden sein.
Die Idealisierung unserer Kinder
Es ist eine große Leistung, unsere Kinder, die noch nicht imstande sind, uns als Person wahrzunehmen und zu erkennen, aufrichtig zu lieben. Wir gehen davon aus, dass Eltern dazu in der Lage sind, obwohl unsere Gesellschaft ihnen wenig oder gar keine Hilfen an die Hand gibt, um die in der Liebe enthaltenen Widersprüche zu verstehen. Statt ihnen ein Wissen über menschliche Liebe zu vermitteln, füttert man Eltern mit Fiktionen, bei denen elterliche Liebe mit Idealisierung und Bindung verwechselt wird. Diesen Fiktionen zufolge sind gute (vielleicht sogar großartige) Eltern solche, die ihren Kindern unablässig Aufmerksamkeit, Zuwendung und materielle Dinge schenken - alles, was das Kind will -, und zum Dank werden sie eines Tages mit selbstsicheren, einfühlsamen und liebevollen Erwachsenen belohnt, die imstande
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