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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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ist nicht Russland, noch nicht. Russland fängt weiter oben am Fluss an. Die rot umrandete Staatsgrenze liegt eindeutig einen knappen Kilometer weiter nordöstlich.
    Ich muss mit Riski reden. So leise wie möglich verstecke ich den Plan unter Sams Spind und suche nach Riski. Es ist kurz vor halb elf.
    Beck ist im Küchencontainer. Allein.
    »Ich muss mit Riski reden.«
    »Auf Englisch oder vielleicht sogar Finnisch?« Becks Augen sind wach.
    Riski muss ihm erzählt haben, dass ich ihn sehr gut verstehe.
    »Beck, der Mörder kommt nicht aus dem Camp. Mieto …«
    »… der Kommissar untersucht gerade Voito Riskis Kleinkalibergewehre.«
    »Das sind Sportwaffen und Riski bewahrt sie zu Hause auf!«, sage ich ungläubig. »Wann hätte er die holen sollen? Und wieso? Das ist doch Quatsch!«
    »Sprich nicht jeden Erwachsenen mit seinem Nachnamen an.«
    »Ist respektvoller als mit dem Vornamen«, widerspreche ich. »Mieto hat mir einen Plan gezeigt. Darauf hab ich was gesehen.«
    Beck sieht mich fragend an.
    »Am anderen Flussufer ist eine Hütte. Beim Laufen hab ich da mal Licht gesehen. Das ist einen Kilometer Luftlinievon der Stelle entfernt, wo Sandra lag. Die Eisdecke ist seit einer Woche geschlossen. Was, wenn der Mörder Sandra von da aus gefolgt ist?«
    Erst am nächsten Morgen hört Mieto mir unwillig zu. Hultmann studiert den Plan und wendet ein, dass samische Rentierhirten die alte Hütte nutzen. Sie liegt etwa einen knappen Kilometer vor der Grenze zur Republik Karelien.
    »Es sind aber keine Rentiere getrieben worden«, sage ich.
    Hultmann pocht auf die Stelle, wo der Fluss etwa zwei Kilometer breit wird. »In der Mitte ist die Strömung sehr stark. Hier friert er selten ganz zu.«
    »Und was ist mit hier?« Ich zeige auf die direkte Verbindungslinie zwischen der Hütte und der Stelle, wo Sandra unterm Schnee lag. »Hier ist die Eisdecke geschlossen. Da könnte jemand an die andere Uferseite kommen.«
    Debatten, Argumente hin und her. Nach einer endlosen Zeit verblassen die Rücklichter der Schneemobile, und Mieto, Hultmann und Riski entschwinden endlich über den Fluss.
    Es vergeht eine Ewigkeit, ohne dass sie zurückkommen. Ein Hubschrauber landet da drüben, und ich soll aus dem Küchencontainer verschwinden, in dem Tonberg hektisch telefoniert.
    Paolo, Kolja und Sam beballern mit der Schneekanone die Dächer der beiden Gebäude. Ich verteile die Baustellenlampen und warte ungeduldig auf Riskis Rückkehr.

10
Zwei Lager
    Weil es GEMEIN und UNGERECHT ist, dass der Küchendienst von Container  6 künftig nur von zwei Personen erledigt werden muss, bricht ein Krieg aus. Container  2 und 6 gegen Container  4. In Personen: 6 gegen 4. Die Frontlinie verläuft quer durch den Küchencontainer. Das muss man sich vorstellen! Selbst Sam ist das Theater so peinlich, dass er sich auf unsre Seite geschlagen hat.
    Beim Mittagessen stellt Beck genervt den Plan um, aber das Gezeter reißt nicht ab.
    »Sandra ist tot! Sie drückt sich nicht vorm Abwasch, sie ist tot! Ihr hört sofort mit diesem Schwachsinn auf oder ihr fliegt hier raus!«
    So wütend habe ich Beck noch nie gesehen.
    Unauffällig suche ich Riskis Blick und er nickt mir ebenso unauffällig zu. Ich steh auf und geh zur Tür.
    »Wo willst du hin?«, fragt Tonberg. Ich: »Aufs Klo.«
    »Was ist mit dem Klo hier?«
    Ich: »Brauch ’n Tampon.«
    »Ihhh! Kotz!« Die Container-2-Jungs würgen. Ben haut seinen Teller weg. Die restlichen Gefühlsausbrüche krieg ich nicht mehr mit. Draußen ist es still, konstanter Schneefall. Abseits der Trampelpfade würde ich hüfthocheinsinken. Und wenn Riski nicht gleich kommt, erfriere ich. Er kommt. »Die Hütte war bewohnt. Du hattest recht, Tilly. Die Spurensicherung ist noch da. Ich weiß nicht, was Mietos Leute gefunden haben, aber sie suchen ganz konkret nach einem Deutschen. Sie überprüfen Autoverleiher, Flughäfen, Fähren.«
    Beck und Tonberg haben die erhitzten Gemüter mit der Drohung in den Griff gekriegt, dass sie sich vorbehalten, die Rückreiseflüge anzumelden. Also muss es offiziell sein, dass der Mörder keiner von uns ist. Darüber bin ich froh.
    »Sandra ist tot und du grinst bescheuert«, ätzt Jana und haut mir den Ellenbogen in die Seite.
    Mein Lächeln gefriert. Ich flieg gegen Beck und klau ihm das Handy aus der Jackentasche. Sorry, aber ich muss dringend meinen Alten die Todesnachricht überbringen. Wer auch immer der Mörder war, er muss glauben, ich sei tot.
    »Jetzt ist aber Schluss!«, brüllt

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