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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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Wenn er abhauen will, lassen wir ihn.«
    Wir schleichen in die dunkle Küche. Der Schlüssel zur Gartentür steckt. Kolja dreht ihn lautlos im Schloss. Er ist noch in Übung.
    »Du bleibst hier.« Der Chef meint mich und nimmt die schwere, lange Taschenlampe vom Regal. Dann drückt er auf den Schalter. Im Garten wird es hell.
    Paolo und Kolja rennen zur Werkstatt rüber. Kolja rüttelt an der Tür. Sie ist verschlossen. Der Chef hält Abstand zur Laube und ruft: »Ist da wer?«
    Keine Antwort. Nichts bewegt sich. Ich friere und spüre gleichzeitig, wie mir das Blut ins Gesicht steigt. Immer sehe ich was, die anderen nie. Immer bin ich die Blöde.
    Paolo und Kolja schleichen zum Chef. Sie nähern sich zu dritt der Laube.
    »Hallo!«
    Nichts. Paolo checkt rechts, Kolja links. Die Rückseite der Laube schließt ohne Zwischenraum an die Hofmauer an.
    »Leuchte auf das Schloss«, hör ich Kolja leise zum Chef sagen. Dann gestikuliert er, und Paolo und der Chef tragen den Gartentisch zur Laubentür. Ich höre keinen Laut, bis die Tür auffliegt und gegen den Tisch kracht. Paolo fällt nach rechts, der Chef nach links. Ein Mann hechtet über den Tisch und schlägt auf Kolja ein. Ich renne ins Wohnzimmer, bin mit einem Sprung in der leeren Kaminholz-Kiste, klappe den Deckel herunter und erstarre. Wie aus weiter Ferne höre ich schnelle Schritte in der Küche, im Wohnzimmer, nebenan in Becks Schlafzimmer und im Treppenhaus.
    Dann höre ich Kolja brüllen. »Oberstraße  36 in Lauterstetten! Wir sind überfallen worden! Drei Verletzte! Der Täter ist im Haus und es sind zwei junge Mädchen hier! Schnell!«
    Dann höre ich ein Mädchen gellend schreien. »Hilfe!«
    Dann wieder Kolja in der Küche oder im Treppenhaus: »Wo bist du, Arschloch? Die Bullen kommen! Ich mach dich fertig, du feige Sau!«
    Schnelle Schritte im Treppenhaus. Ein Schlag, jemand fällt. Wieder diese schrecklichen Schritte und dann Gebrüll, diesmal von Paolo, dann Wutgebrüll und gleich noch einmal Paolo. Dann herrscht Stille.
    Ich höre nichts mehr.
    Schließlich ein schleifendes Geräusch, ein Schlüssel dreht sich, schwerfällige Schritte im Flur, ein Rütteln an der Haustür und dann: »Tilly!!!« Paolo. Verzweiflung pur.
    Ich will mich bemerkbar machen. Ich will es wirklich, aber ich weiß nicht mehr, wie das geht. Ich räuspere mich leise, heb den Deckel ganz sachte mit dem Rücken an und lass ihn wieder fallen. Zweimal, dreimal. Plötzlich schießt mir der Gedanke an Koljas Freundin Adrenalin durch meine Adern, genug, dass ich den Deckel aufstemme und so laut ich kann »Paolo!« brülle.
    Er lehnt am Türrahmen, sein Gesicht schmerzverzerrt, ein Auge total zugeschwollen.
    »Ist er weg?«, frage ich.
    »Ja.«
    »Kannst du mir raushelfen?«
    Er torkelt zu mir hin, fällt vor der Kiste auf seine Knie und zupft an meinen. Ich stecke von den Füßen bis zu den Knien fest. »Kolja hatte ein Mädchen im Bett!«, flüstere ich. »Sie hat geschrien.«
    »Oh, nein! Warte, Tilly!« Paolo zieht an meiner Hand und wirft die Kiste einfach um. Das hilft. Ich falle zur Seite und dabei rutscht mein Knie ein Stück nach oben. Erst kriege ich das linke Bein frei, dann das rechte Bein. Ich rolle über den Boden. Paolo liegt auf der Seite. Ich streichle ihm leicht über die Haare. Er stöhnt. Dann stehe ich auf und stechende Schmerzen jagen mir durch die Beine. »Ich geh rauf und sehe nach. Bin gleich wieder da.«
    Auf dem Küchenfußboden liegt der Chef. Seine Hand bewegt sich, das hab ich gesehen. Im Flur muss ich über Kolja rübersteigen. »Ich komm gleich zu dir«, sag ich leise. Ich habe ihn atmen hören.
    Koljas Bett ist leer. Leises Schluchzen dringt aus dem Badezimmer. Sie hat sich eingeschlossen.
    »Ich bin’s, Tilly. Er ist weg! Komm raus.«
    Es ist Lea. »Wirklich?« Sie zittert.
    Ich nicke und sie fällt mir um den Hals.
    »Hat er dir was getan?«, frage ich.
    »Ich war unter der Decke und hab gedacht, Kolja kommt zurück. Der Typ hat sie weggezogen, mich angestarrt, dann ist er raus und von Zimmer zu Zimmer gegangen«, schluchzt sie. »Ich hab gedacht, er kommt zurück und bringt mich um. Ich bin ins Badezimmer gerannt, hab abgeschlossen und um Hilfe geschrien.«
    »Er ist weg. Lass uns runtergehen.«
    Lea lässt das Handtuch fallen und zieht ihre Jeans und ein Kapuzenshirt über. Sie zögert.
    »Kolja ist verletzt. Es wird ihn beruhigen, wenn es dir gut geht.«
    Auf der Treppe hören wir nahende Martinshörner, das beruhigt mich.
    »Ich wär lieber weg,

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