Wenn er mich findet, bin ich tot
wenn die Polizei kommt«, sagt Lea beklommen.
»Sag, dass du bei mir warst. Geh nicht raus, Lea, vielleicht hat sich der Wahnsinnige draußen irgendwo versteckt.«
Zwei Kranken- und drei Streifenwagen bremsen vorm Haus, und als es Sturm klingelt und ich die Tür öffne, bricht Chaos aus. Drei Polizisten durchkämmen den Garten, drei das Haus. Die Sanitäter kümmern sich um den Chef, Kolja und Paolo. Lea und ich stehen im Flur an der Wand und schlottern.
»Kann mir jemand dazu was sagen?« Ein Polizist hält mit zwei Fingern ein blutiges Nudelholz hoch.
»Damit hab ich zweimal auf ihn eingeschlagen«, antwortet Paolo.
»Danke, Alter«, stöhnt Kolja.
»Wo hast du ihn damit getroffen?« Der Polizist lässt das Nudelholz in eine Tüte gleiten.
»Hinterkopf und Schulterblätter.«
»Du hast zwei Wünsche frei, Paolo.« Kolja kichert unter Schmerzen. »Mit dem Nudelholz, Alter. Genial.«
Über Funk gibt der Polizist weiter, dass der Flüchtige verletzt sei. Draußen suchen also welche nach dem Schwein. Ich bin bereit, mich mit dem Berufsstand der Ordnungshüter zu versöhnen, bis zwei Beamte die Treppe runterpoltern und Lea und mir unverhohlen auf den Busen starren. Mir wird kalt. Ich gehe wortlos nach oben und zieh mir einen Pulli übers Shirt und Jeans über die Schlafanzugshose, und mein distanziertes Verhältnis zu unseren Freunden und Helfern ist wiederhergestellt.
Die Nacht verbringen wir, bis auf Lea, im Krankenhaus Bad Stockbach. Der Chef und die Jungs werden geröntgt, getapet, verarztet.
Am nächsten Tag folgt eine ausführliche Befragung durch die Polizei. Es war kein Raubüberfall, obwohl wir gerne glauben würden, dass Koljas Anruf ihn vereitelt hat.
Kaum sind sie weg, sagt Kolja ratlos, ungläubig: »Ich hab die Bullen gerufen.« Staun: »Und die sind gekommen.«
Der Chef telefoniert lange mit KHK Preuß.
Das Ergebnis der Unterredung kriegen wir tags drauf mit: Bewegungsmelder, Sicherheitsschlösser, Alarmanlage, Gartenzaunverstärkung, Guckloch an der Haustür. Becks Hof wird zum Hochsicherheitstrakt aufgerüstet.
Glücklicherweise nicht durch die Firma GDS.
Über Tilly Krah und Alma Goedel haben wir nichts zu Protokoll gegeben. Paolo hat vor der Vernehmung, als wir drei unbeobachtet waren, die Sprache darauf gebracht. »Kein Ton über Tilly Krah und Alma Goedel oder das Herrenhaus Flusshorst. Irgendwie hab ich den Verdacht, dass der Chef mit dem Anruf bei deiner Alten, von dem er Preuß und Grau erzählt hat, schlafende Hunde geweckt hat. Deshalb der Überfall gestern. Alles, was ich über Goedel recherchiert habe, ist, dass man supervorsichtig sein muss. Der Typ ist Banker und hat sich schon so oft aus der Scheiße gezogen. Einmal hat ihn ein Journalist mit einem Kinderpornoring in Verbindung gebracht, der war danach weg vom Fenster. Goedel hat eine Meute Anwälte auf ihn gehetzt, dass der aus dem Dementieren nicht mehr rausgekommen ist. Unglaublich! Wir dürfen nicht durchblicken lassen, dass du weißt, dass du nicht Tilly bist, bevor wir nicht genau wissen, was davor war. Bei all diesen Geschichten geht’s um dich, Tilly.«
Ich nicke. Ich hätte sowieso nichts gesagt.
»Sollten wir nicht gerade deshalb mit Preuß reden? Mann, Mord und Totschlag, die Typen sind echt gefährlich«, zweifelt Kolja.
»Wir beschützen Tilly. Vergiss nicht, Alter, das Nudelholz des italienischen Pizzamannes hat das Arschloch in die Flucht geschlagen, nicht die Bullen. Die kommen erst, wenn was passiert ist.«
Wir ziehen uns in unsere sichere Küchenhöhle zurück und büffeln.
20
Prüfung I
Kaffee, Kuchen, Geschenke, mehr Zeit haben wir für die Geburtstagsfeier des Chefs nicht. Gäste von außerhalb sind keine geladen, und das nicht nur aus Eitelkeit. Die Jungs und der Chef sehen schlimm aus und haben immer noch Schmerzen. Trotzdem ist es morgen soweit.
Am 8. Mai gehen die Jungs grün und blau, ich weiß im Gesicht wie ein leeres Blatt Papier, zur Deutschprüfung. Egal, wie gut präpariert, ich hasse Prüfungen. Elf von den insgesamt achtzehn Prüflingen hab ich nie zuvor gesehen. Blöd, das alles. Wie von Kolja befohlen, setze ich mich in der Raummitte auf die Fensterseite, Paolo an die Wandseite. Kolja sitzt irgendwo hinten.
Wir bekommen Blätter und blaue BIC-Kugelschreiber ausgeteilt. Die Blätter sind mir vertraut, und ich kreuze an, vervollständige, definiere, korrigiere, schreibe.
Unsre Vorbereitung ist zweigleisig gelaufen: Wir haben die Unterlagen richtig ausgefüllt, und zwar mit einem
Weitere Kostenlose Bücher