Wenn er mich findet, bin ich tot
sein Autokennzeichen gesehen?«
Maria nickt. »Gegen drei isch ein schwarzes Auto mit dem Kennzeichen F die Schulstraß runter Richtung Rastkirch. Des isch ungewöhnlich.«
»Danke, Maria.«
»So was willsch du doch wissen?«
»Ja, genau so was.«
»Aber du willsch mir nicht erzählen, warum des für dich wichtig isch?«
»Doch, aber jetzt noch nicht.«
Maria lächelt fein. Und ich lächle zurück.
»I bin so neugierig«, sagt sie.
»Ich auch«, sag ich. Goedel auch, denke ich. Erst der Zeitungsartikel, der ihn entlastet, dann die Immobilienrecherche. Beides kommt mir wie eine Warnung an mich vor. Er wird keine Ruhe geben, bis er mich vernichtet hat.
Auf dem Heimweg versuche ich, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Als ich schon Koljas Stimme im Garten höre, hält neben mir ein Lieferwagen.
»Wo finde ich den Stehmer-Hof?«, ruft mir einer durchs offene Beifahrerfenster zu.
»Es gibt zwei Stehmer-Höfe«, sag ich und geh ans Fenster. »Der erste ist gleich da unten links …«
EIN SCHWARZES LOCH.
Ich liege auf einem feuchten Lappen und bin blind. Ich blinzle. Eine Augenbinde verhindert, dass ich was sehen kann. Mein T-Shirt ist nach oben gerutscht, und der Lappen an meinem nackten Rücken stellt sich als meine eingeschlafene Hand heraus. Fremd und kalt, als würde sie nicht zu mir gehören. Welche ist es? Ich liege auf den Händen. Sie sind zusammengebunden. Ich reibe sie aneinander, bis das Leben mit heftigen Stichen zurückkommt. Mit meinen Füßen stoße ich gegen Blech, als ich mich aufrichten will. Ich liege im Lieferwagen.
Und ich bin nicht allein. Meine Lage kommt mir unheimlich vertraut vor.
»Ist Blindekuh immer noch dein Lieblingsspiel?« Meine Stimme hört sich fremd an. Ich weiß, dass er da ist.
»Du erinnerst dich daran?«, sagt er nach einer Pause.
Seine Stimme klingt zu kontrolliert. Er hat nicht damit gerechnet, dass ich ihn direkt anspreche.
»Wie könnte ich das vergessen?«
Es ist still. Ich atme nicht und versuche herauszuhören, ob er allein mit mir ist.
»Du bist hier, weil ich Bedingungen habe«, sagt er.
»Wenn du mich umbringst, verlierst du alles«, sag ich. »Das ist ganz einfach. Wenn man in meiner Lage ist, muss man auf Nummer sicher gehen. Man macht sein Testament und stellt sicher, dass es Leute gibt, die alles wissen.«
Ich warte darauf, dass er mir wehtut, und halte den Atem an.
Aber er tut es nicht.
Er lacht. »Jeder in deiner Lage würde das sagen.« Dann klingt seine Stimme wieder unverändert kalt und ruhig. »Viele Leben hängen eng mit deinem Leben zusammen. Jede Menge Krahs, unter anderem. Vor allem aber auch deine neuen Mitbewohner. Du bist für viele Menschenleben verantwortlich. Wenn du nicht mitspielst, könnte es dir oder ihnen so gehen wie deiner Freundin.«
Er will mich fertigmachen, mich aus der Reserve locken, will, dass ich an Sandra denke. Ich schweige.
Er sagt: »Ich will keine Einmischung von deiner Seite.«
Ich sag nichts. Ich bin nicht in der Position, was zu sagen. Und ich werde seinen Namen nicht aussprechen, solang er meinen nicht sagt.
»Ich will nicht, dass du irres Zeug kreischst, wenn du durch den Wald rennst.«
Er hat mich gehört! Ich spüre eine zaghafte Überlegenheit. Ein fernes Triumphgefühl.
»Ein falsches Wort zu den falschen Leuten und deine Freunde sterben.« Seine Stimme ist leise. »Alle deine Freunde werden sterben.«
Dann Stille. Bleierne Stille. Die Stille der Steine.
»Hast du verstanden oder soll ich deutlicher werden?«
»Ich hab verstanden und will jetzt gehen.«
Es geht schnell. Ich kriege einen Schlag auf den Kopf, einen Tritt in die Seite. Ich rolle auf den Bauch. Die Schiebetür kracht auf. Ich werde an den Händen hochgezerrt, bis die Gelenke knacken und ich auf steinigen Boden pralle. Gras im Gesicht. Die Seitentür knallt zu.
Das Auto entfernt sich. Ich warte, halte mich an meinen Schmerzen fest und bewege mich nicht. Fieberhaft denke ich: Ich hatte nie eine Chance. Immer, wenn ich gedacht habe, es ist vorbei, hatte er noch einen Nachschlag auf Lager. Er ist immer noch da und kuckt zu! Das Spiel war immer erst zu Ende, wenn er genug hatte, und diesen Teil mochte er am allerliebsten: Ich, hilflos, denke, hoffe, bete, dass es vorbei ist. Und er kann mich spüren und wissen lassen, dass ausschließlich er bestimmt, wie lange und wie sehr ich leide. Nur er allein.
Diesmal beende ich das Spiel. Endgültig. »Bedingungen kann man nur stellen, wenn man sich an Bedingungen halten kann. Und das
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