Wenn es daemmert
Pete.
»Das glaub ich dir nicht. Schau doch erst mal! Was ist los mit dir? Du bist doch sonst nicht so?« Doug klang zornig.
»Mir wird das alles zu viel, weißt du, und ich hab echt kein gutes Gefühl. Ich glaub, das ist alles nicht richtig. Ich glaub, ich muss mit Brady reden.«
»Hey, Kumpel, hör mir mal genau zu. Ich hab dir ein Alibi gegeben, ja? Und dabei bleibt’s!«
Pete rülpste laut. »Das ist nicht richtig, das ist alles nicht richtig.«
»Die sind hinter dieser Frau her, und kein Mensch interessiert sich dafür, was du Samstagnacht gemacht hast – oder auch nicht gemacht hast.«
Sie schwiegen einen Moment. Cedric dachte schon, sie seien weitergegangen, als Pete sagte: »Ich hab dir auch ein Alibi gegeben, weißt du?«
»Halt die Schnauze«, zischte Doug. »Das war alles deine Idee, ja? Das solltest du besser nicht vergessen!«
Wieder Schweigen. Cedric wartete, er wusste nicht, wie lange, dann war er sich sicher, dass sie gegangen waren.
Doug hatte Pete ein Alibi für die Mordnacht gegeben. Sie waren gar nicht zusammen gewesen. Beide hatten die Gelegenheit zu dem Mord gehabt. Aber warum hätten sie Matt umbringen sollen?
Er verstand nun, was Pepa gemeint hatte: Sie hatte ihn nicht mit dem Wissen um den Mörder in Gefahr bringen wollen. Er musste sofort nach Edinburgh und nach ihr suchen.
Cedric ging in sein Haus zurück und nahm den Autoschlüssel, startete den Mercedes und fuhr auf die Hauptstraße, als er vor sich einen schwarzen Range Rover sah.
Etwas sagte ihm, dass er es sein musste: Pepas Zuhälter, der Mann, der Minas Fenster eingeworfen hatte.
Er würde ihm folgen. Cedric hatte das Gefühl, dass dieser Range Rover ihn direkt zu Pepa führen würde.
5.
Edinburgh war das perfekte Motiv für Postkarten, anders als Glasgow. Es war fast egal, von welchem Winkel aus man die Stadt fotografierte oder in welchem Licht. Die einmalige Lage am Firth of Forth auf sieben Hügeln, die Burg, Calton Hill mit seiner verrückten Ansammlung von Denkmälern, der Sternwarte und dem nie vollendeten Parthenon, Holyrood Palace und natürlich Arthur’s Seat, der erloschene Vulkan mitten in der Stadt. Der wunderbarste Gegensatz aber war: die Old Town mit ihren verwinkelten Gässchen und dunklen Gebäuden auf der einen Seite, der Ort der Geister und Gespenster, und auf der anderen Seite die New Town mit ihren großzügigen, ordentlich aneinandergereihten Prunkbauten, der Stadtteil für exklusives Shopping.
Ebenfalls anders als Glasgow war Edinburgh nachts auf den ersten Blick recht ausgestorben. Wer sich auskannte, der wusste aber, dass es auch in den frühen Morgenstunden einige sehr belebte Ecken gab, die allerdings nicht jedermanns Sache waren: verrufene Nachtclubs, Striplokale, so genannte Saunen. Die wunderbar gepflegten Parks wurden in der Nacht zu Drogenumschlagplätzen. Aber wer nicht bis in diese Ecken vordrang, hatte den Eindruck, Edinburgh sei eine brave Stadt mit Bewohnern, die sich gerne früh schlafen legten, um am nächsten Morgen wieder frisch ihr Tagewerk zu beginnen.
Margaret wusste es besser. Sie kannte die Plätze in Edinburgh, die eine anständige Frau nicht kennen sollte. Sie hatte hier ihre Kindheit und Jugend verbracht, und sie war in jeder Phase ihres Lebens abenteuerlustig genug gewesen, um schneller als jeder andere herauszufinden, wo etwas los war. Sobald man ihr sagte, welche Straßen man als Frau besser meiden sollte, saß sie auch schon im Taxi, um sich genau dorthin fahren zu lassen. Voyeurismus, dachte Margaret. Oder innere Rebellion. Immer das tun, was Vater nicht gutheißen würde. Ob er davon erfuhr oder nicht, war gleichgültig.
Margaret war schon früh am Morgen nach Edinburgh aufgebrochen. Sie war vor wenigen Tagen zur Beerdigung ihres Vaters hier gewesen. Diesmal wollte sie nicht den Friedhof sehen, sondern die Royal Mile bis zum Holyrood Palace entlanggehen, in die Galerien schauen, auf dem Grassmarket im »Lot« Kaffee trinken, an der Princes Street einkaufen, sich langsam von Jenners aus über Harvey Nichols in die teuren Boutiquen in der New Town vorarbeiten. Um sich dann mit der Dunkelheit zu verwandeln und die dreckigen, die gefährlichen Straßen aufzusuchen.
»Dr. Jekyll und Mr Hyde« war die Geschichte von Gut und Böse; Deacon Brodie, einst ein ehrenwerter Bürger von Edinburgh, der nachts zum Gangsterboss wurde, das Vorbild, das sich Robert Louis Stevenson gesucht hatte. Sie passte so gut zu dieser Stadt, auch wenn sie in London spielte, denn der
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