Wenn es daemmert
zuckte die Schultern. »In Edinburgh. Eine Nachlasssache wegen Ihres Vaters, der vor kurzem gestorben ist.«
»Es sterben gerade viele Menschen, die Sie kennen.«
Mina atmete tief ein und ganz langsam wieder aus.
»Miss Williams, es könnte ja sein, dass Sie ein wenig gezündelt haben, und dann waren Sie sich nicht mehr sicher, ob Sie wirklich alleine im Haus waren …«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, ich habe meine Tabletten gesucht, verdammt! Ich will jetzt telefonieren, ich muss meinen Arzt anrufen, ich brauche ein Rezept!«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte Brady und musterte sie. Es war derselbe Blick, den sie schon an ihm bemerkt hatte, als sie ihn zum allerersten Mal gesehen hatte: ein Blick voller Abscheu.
»Suchen Sie nach den beiden Männern, die bei mir eingebrochen sind und das Feuer gelegt haben. Ich vermute, es waren dieselben, die auch mein Büro …« Sie stockte. Davon wusste er nichts. Dennoch sprach sie weiter: »… die mein ehemaliges Büro durchsucht haben. Ich war mir nicht sicher, es gab keine offensichtlichen Einbruchsspuren, und es fehlte auch nichts, aber ich hatte gestern Morgen den Eindruck, dass jemand etwas in meinen Sachen gesucht hat.«
»Interessant, interessant. Ein Schotte und ein Russe. Von der Russenmafia am Ende«, höhnte Brady. »Kann nicht vielleicht auch noch ein afghanischer Terrorist dabei gewesen sein? Und Sie sind undercover für den MI 5 im Einsatz, nicht wahr?«
»Was soll das? Warum glauben Sie mir nicht?«
Brady zuckte gleichgültig die Schultern. »Warum sollte ich? Erst finde ich Sie neben einem toten Golfer, mit dem Sie kurz vorher geschlafen haben. Dann stolpern Sie in Pittenweem über einen Leiche, und jetzt brennt auch noch Ihr Haus ab, weil angeblich die Russenmafia Ihren Computer stehlen wollte.«
»Das mit der Russenmafia habe ich nie …«
»Ach, hören Sie auf. Und wenn dann so ein einfacher Landpolizist wie ich, der sich weigert, an eine scheiß Weltverschwörung zu glauben, herausfindet, dass Sie nicht ganz dicht sind, weil irgendein Typ Sie hat sitzen lassen … Tja. Dann ergibt das doch ein Bild, meinen Sie nicht?«
»Weil mich irgendein Typ hat sitzen lassen?«, fragte Mina ungläubig. »Wo haben Sie das denn her?«
»War es nicht so, dass Sie Ihren damaligen Verlobten mit einer anderen erwischt haben? Und sich daraufhin umbringen wollten? Aber er hat Sie gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Da hat man Ihnen dann den Magen ausgepumpt und Sie gleich weiter in die Psychiatrie geschickt.« Brady sah sehr zufrieden aus. »Ich hab einen alten Freund in London. Der hat sich für mich umgehört. Alte Freunde sind unbezahlbar.«
Minas Kopf begann zu pochen. »Gehen Sie.«
»Warum? Ich bin noch nicht fertig.«
»Was denn noch?«, fragte sie leise.
»Ich denke mir das so: Sie hatten was mit dem Golfer. Der erste Kerl, seit Sie aus der Klinik raus sind. Vielleicht haben Sie sich ein bisschen mehr erhofft, als Sie bekommen haben. Und dann haben Sie ihn mit Ihrem Ex verwechselt. Soll ja vorkommen. Rückfall in alte Muster.«
»Hobbypsychologe, was?«, unterbrach Mina ihn giftig.
»Man tut, was man kann. Sie finden raus, dass Matthew Barnes noch andere Frauen am Start hat. Mrs. McCallum zum Beispiel. Oder das Au-pair-Mädchen von nebenan. Also haben Sie ihm gezeigt, was Sie von einem notorischen Fremdgeher halten, und haben ihn erschossen. Dann tut es Ihnen leid, Sie wollen sich umbringen, zünden Ihr Haus an, überlegen es sich im letzten Moment anders, springen raus und erfinden das mit der Russenmafia. Und das mit den Tabletten erzählen Sie mir nur, damit Sie im Zweifelsfall bei Gericht auf unzurechnungsfähig machen können. Hab ich Recht?«
»Sie haben das tote Mädchen in Pittenweem vergessen.«
»Tja, seltsamer Zufall. Soll’s geben. Die war ein Selbstmord. Aber was halten Sie von meiner kleinen Theorie?«
Mina schloss die Augen. »Verschwinden Sie. Sofort. Wenn Sie das nächste Mal mit mir sprechen wollen, rufen Sie vorher meinen Anwalt an.«
»Oh, Sie brauchen einen Anwalt?«
»Raus!«, schrie sie.
Brady grinste und stand auf. »Bis bald, Miss Williams. Sie gehen nirgendwohin, ohne dass ich es weiß, ist das klar?«
»Lecken Sie mich am Arsch«, brüllte sie und merkte, wie ihr die Tränen herunterliefen, wie sie schluchzte und nach Luft rang. Sie schrie ihm noch Beleidigungen hinterher, als er schon längst verschwunden war, bis zwei Krankenschwestern zu ihr hereingerannt kamen, um sie zu beruhigen. Sie weinte, wie sie
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