Wenn es fesselt, ist es keine Freiheit
bleiben.
Sowohl Fusion als auch Co-Abhängigkeit bilden Muster der Leblosigkeit in unseren Beziehungen, die tief verwurzelt und unterbewusst sind. Ohne Bewusstheit und Vision ist es höchst schwierig, diese Leblosigkeit zu überwinden. Das Ego schlägt vor, Drama zu erzeugen, um wieder ein bisschen Leben in die Beziehung zu bringen. Das geht so weit, dass es sogar anregt, bewusst oder unterbewusst Streit anzufangen. Das schafft aber nur noch mehr Probleme in der Beziehung.
Immer wieder opfern wir uns auf, und wenn wir erwarten, dass sich jemand um uns kümmert, weil wir ja nun mal an der Reihe wären zu empfangen, gibt es keinen, der nach uns schaut. Das kommt daher, dass wir an unsere eigene Minderwertigkeit glauben und erwarten, dass ein Gefallen, den wir erweisen, erwidert würde – und das ist die Forderung nach Gegenseitigkeit. Wenn wir uns opfern, erwarten wir, dass sich unsere Umwelt auf ähnliche Weise opfert. Früher oder später meinen wir sogar, dass sich eigentlich alle opfern müssten, weil wir es ja auch tun.
Wir rechtfertigen die Aufopferung sogar mit unserer Religion. Aber in Wirklichkeit ist es unser Ego, das die Schriften benutzt, um seinen Weg zu legitimieren. Wir glauben, Gott hätte Seinen Sohn für uns geopfert und Jesus selbst hätte sich geopfert, um uns zu retten. Betrachten wir diese Behauptungen einmal aus der logischen und aus der psychologischen Perspektive. Ich bin nämlich überzeugt, dass eine Theologie, die der Überprüfung durch Vernunft und Psychologie nicht standhält, vom Ego zugunsten seiner eigenen Motive verzerrt wurde.
Genauso, wie es Gott unmöglich ist, sich zu opfern, weil Aufopferung eine psychologische Falle ist, die Rivalitäten erzeugt und zu Aggressionen führt, würde und könnte das Höchste Wesen auch niemals wollen, dass irgend jemand etwas macht, was einer Falle gleichkommt, einem Angriff oder einem Fehler.
Das wäre das Gegenteil von Gott als Liebe. Gott gibt sich uns vollständig. Der Kurs in Wundern beschreibt Gott so: »Das, was allen alles gibt.« Gott ist das Prinzip des Gebens, und Geben entspringt nur dem Geben, nicht etwas, das so anders ist wie Aufopferung.
Zu meinen, Jesus habe sich geopfert, heißt, den Kern seiner Lehren – Liebe und Vergebung – völlig zu verkennen. Im Kurs in Wundern sagt Jesus selbst, die Kreuzigung sei ein extremes Beispiel seiner Lehren, das deutlich mache, dass er selbst unter solchen Umständen keine Feinde hatte, sondern dass es lediglich Menschen gab, die nicht wussten, was sie taten.
Im Kurs in Wundern sagt Jesus auch, dass die Kreuzigung das letzte nutzlose Opfer sein sollte und dass ihr Zweck nicht darin bestand, dass er sie für uns erlitt, sondern darin, dass er den Tod durch seine Auferstehung besiegte. Mit der Auferstehung transzendierte er als Geist den Tod und den Körper. Die Auferstehung befreite uns aus dem Griff des kollektiven Egos, in dem wir gefangen waren, indem sie unseren Glauben an den Tod beendete. Sie brach auch die Abmachung mit dem Ego, lieber zu sterben als zu erkennen, dass der Körper einfach abgeworfen wird, weil er in unserer fortdauernden Existenz als Spirit nur ein Vehikel des Lernens ist.
In Gary Renards Buch Die Illusion des Universums spricht Pursah, ein Wesen, das Einheit erlangt hat, über die Tatsache, dass Jesus nicht wirklich physisch gelitten hat. Vielmehr veranlassten ihre Schuldgefühle angesichts der Kreuzigung seine Jünger dazu, großes Leiden zu projizieren. Christus, der völlig unschuldig und ohne alle Vorwürfe war, hat überhaupt nicht gelitten. Nach dem, was ich über Leid und die Verbindung zwischen Geist und Körper erforscht habe, scheint mir diese Aussage psychologisch wahr zu sein – trotz des Films »Das Leiden Christi« von Mel Gibson und trotz der religiösen Lehren, die viele Jahrhunderte lang verbreitet wurden und das Gegenteil behaupten.
Am Ende werden wir alle das glauben, womit wir uns wohl fühlen. Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass Gott keine Verurteilungen kennt, sondern ein liebender Gott ist. Ohne Bewertungen und Verurteilungen, die sowohl eine psychologische als auch eine spirituelle Falle sind, gibt es keine Aufopferung. Gott hätte keine Hölle schaffen und gleichzeitig ein liebender Gott sein können. Es ist eine historische Tatsache, dass die Schriften in den ersten fünfhundert Jahren nach dem Tod Christi verändert wurden, um den politischen Ansichten und dem psychologischen Verständnis der Kirchenväter zu entsprechen. Das hat
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