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wenn es Zeit ist

wenn es Zeit ist

Titel: wenn es Zeit ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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um ihn, will ihn nicht verlieren, wie Jörg. ›Schon deine Angst bringt ihn um, zeigt sie doch, wie sehr du ihn liebst.‹
    »Kommst du morgen wieder in die Schule?«
    »Ja.« Er setzt sich wieder auf sein Bett. Ganz ruhig scheint er zu sein. Sein Herz ist nicht mehr deutlich schlagend unter seinen Rippen zu sehen. Die orangefarbenen Schweißperlen in seinem Blau werden weniger. »Was wollen wir denn jetzt machen?« Warum will er das von mir wissen? Kann er mir nicht einen Vorschlag machen?
    ›Halt dich von mir fern und küss mich.‹
    »Wir sitzen nebeneinander, wie bisher.«
    Jan schüttelt den Kopf. »Das schaffe ich nicht.«
    »Dann musst du mir aus dem Weg gehen, darfst dich in den Pausen nicht zu mir setzen, mich nicht nach Hausaufgaben fragen.« Ich sitze immer noch an seinem Schreibtisch. So laut, wie mein Herz bei diesem Satz klopft, habe ich Angst, seine Mutter kommt gleich wieder ins Zimmer. Am besten beruhige ich mich dadurch, in dem Buch zu blättern, das ich aus meinem Ranzen geholt habe.
    »Das schaffe ich auch nicht.«
    »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Hier, das sind unsere Hausaufgaben.« Er kommt zu mir an den Schreibtisch. Ich rieche noch die Spuren von seinem Sperma, als er neben mir steht und ich mit dem Finger auf eine Stelle im Buch zeige. Jan nimmt sich einen Zettel und einen Bleistift und schreibt sich die Seite auf.
    »Hätte ich dich bloß nie geküsst«, flüstert er. »Dann wäre alles, wie es war.«
    »Hast du das je?«, frage ich und versuche, zu lachen. ›Du kannst mich nicht betrügen. Das wird ihn nicht retten.‹ Wenn doch diese verfluchten Stimmen endlich verschwinden würden.
    »Die viertel Stunde ist um.« Jans Mutter steht wieder im Zimmer. Ich nicke ihr zu.
    »Wir sind auch fertig.«
    Er zieht seinen Bademantel an und bringt mich zur Tür. Bei Dirk klopfe ich an, bevor ich kurz in sein Zimmer schaue und mich verabschiede. Der Mutter schüttle ich die Hand, bevor sie wieder in die Küche geht. Und Jan steht mir an der Wohnungstür gegenüber und ich sehe in seinen Augen, wie gern er mich küssen würde. Bestimmt sieht er es auch in meinen.
    »Nein«, sagt er und es kann sich auf die letzte Frage beziehen, die ich ihm in seinem Zimmer gestellt habe oder eine Warnung sein.
    »Bis morgen.«
    »Danke für die Hausaufgaben.«
    Danach schließt er die Tür hinter mir.
     
    Müsste ich nicht traurig sein? Oder sollte ich jubeln? Alles endet, bevor es beginnt.
    ›Sie werden deine Liebe verwerflich finden, deine Gabe blasphemisch. Sie können die Quelle, die dich speist, nicht sehen vor lauter Gottgefälligkeit.‹
    Und wenn es Gott ist, der sie verwerflich findet? Der war mir bisher egal, warum sollte er es nicht auch jetzt sein?
    ›Weil er dich auserwählt hat. Weil er dich prüfen will, ob du es auch wert bist, ein Gefäß zu sein. Ein Homo ist es nicht wert.‹
    Wenn ich doch bloß diese Gedanken abschalten könnte. Es ist doch egal, ob ich die Kraft habe oder nicht. Ich habe sie mir nicht gewünscht und sie ist nur eine Belastung. Sie war doch einfach da. ›Gräme dich nicht.‹
    ›Willst du das wagen? Denk an Jörg.‹
    Ich denke an Jan, an den Kuss, den er erwidert hat. Er hat sich nicht mehr geschämt hinterher. Wir waren eins, als die Mutter hereingekommen ist. Das kann doch nicht falsch sein.
    ›Es ist Sünde.‹
    ›Es ist Gottes Liebe. Er hat sie ihm gegeben.‹
    ›Gottes Liebe tötet nicht.‹
    Ich sehe meinen Vater auf Jörg in der Wand zustürzen, ihn an der Kehle packen und brüllen: › Habe ich dich nicht schon entsorgt? Habe ich dir nicht schon gezeigt, was meinem Sohn blüht, wenn er sich in Kerle vergafft? Nicht er wird leiden. Die Kerle werden leiden. Sie müssen seine Blutschuld bezahlen.‹
    Ich werde verrückt. Ich sehe Bilder und höre Stimmen, gegen die ich mich nicht wehren kann, die gegen mich kämpfen oder in mir um mich.
    Irgendwie muss ich die Gedanken abschalten, in die sie sich immer wieder schleichen. Wenigstens bis Michi kommt. Wenigstens bis Mama da ist und mich nach Ochsenzoll bringen kann.
    Gottes Plan. Was nützt es ihm, wenn ich verrückt bin? Er braucht das Böse und das Gute. Er braucht meine Weiblichkeit, um durch mich zu wirken. Und damit ich nicht zum Sünder werde, schützt er mich durch das Böse in meinem Vater. Er zerstört was mich durch Verlockung gefährdet. Er hat mich auserwählt. Aber warum schickt er mir die Versuchung durch eines seiner Kinder? Jan glaubt doch an ihn. Viel mehr als ich.
    Ich schaffe es

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