Wenn Frauen kochen
bat die Mädchen, ein paar Blumen aus dem Garten zu holen. Ihre älteste Tochter, Aimee, war bockig auf die Veranda marschiert, wo sie sich mit verschränkten Armen in einen Korbsessel fallen ließ. Und Sabrina schlenderte mit einem Blick durch die Haustür, von dem Gus nicht hätte sagen können, ob er nun mürrisch oder konzentriert war.
Aber da Gus ihre Töchter kannte, hatte sie sich wohlweislich längst selbst um die Tischdekoration gekümmert - während die beiden Mädchen einen wunderschönen, sonnigen Samstagmorgen verschlafen hatten. Sie hatte den Strauß in einem Regal über der Waschmaschine verstaut. Sie wusste ja, dass ihre Mädchen einen riesigen Bogen um alles machten, was mit Hausarbeit zu tun hatte. Die Mädchen aufzufordern, Blumen zu pflücken, war lediglich eine mütterliche Taktik gewesen, um sie aus dem Weg zu bekommen, damit sie in Ruhe abschmecken und ausprobieren konnte.
Und dann sah sie es: sieben Steine und eine Feder. Genau das hatte Sabrina mitten auf den polierten Rosenholztisch gelegt.
»Wie findest du es, Mom?«, fragte die Dreizehnjährige und strich sich den glänzend schwarzen Pony aus den Augen. Sie zeigte auf das Arrangement geschliffener Flusssteine, die sie der Größe nach sortiert hatte. Daneben lag eine graue Feder. Aus der Ferne erinnerte sie eher an einen Fussel aus dem Flusensieb des Trockners, als an etwas, das einst ein Flügel geziert hatte.
Gus Simpson nagte an der Unterlippe, als sie über den Beitrag ihrer jüngsten Tochter zu diesem Tag nachdachte. Sie ließ den Blick über den Tisch schweifen, der bereits mit den guten elfenbeinfarbenen Platzdeckchen aus Leinen eingedeckt war, sauber und gebügelt. Dazu ihre Sammlung kostbaren Geschirrs - die kunstvolle Mischung nicht zusammengehörender Steingutteile, die sie bei Haushaltsauflösungen, auf Flohmärkten und gelegentlich auch zum vollen Preis im Kaufhaus erworben hatte. Daneben standen die echten Kristallkelche, die sie vor Jahren aus Irland mitgebracht hatte. Rotwein, Weißwein, Wasser. Die Gläser hatten ein Vermögen gekostet. Aber Gus hatte sich zu dieser Kauforgie hin reißen lassen, und jedes Mal, wenn sie die Gläser anschaute, wechselten sich in ihr Schuldgefühle und Freude über die Kostbarkeiten ab. Jeder Schluck aus diesen Gläsern - selbst schnödes Leitungswasser - schmeckte besser.
Der Trip nach Irland war ihre letzte gemeinsame Reise mit Christopher gewesen. Ein romantischer Urlaub ohne die Mädchen, bei dem sie jeden Abend früh auf ihr Zimmer verschwanden, begierig darauf, allein zu sein. Sie hatten viel gelacht, während sie den Wagen ungeschickt übers Land und entlang der atemberaubenden Küste steuerten. Keiner von ihnen hatte
sich sonderlich wohl dabei gefühlt, ein Auto mit Gangschaltung auf der »falschen« Straßenseite zu fahren. Aber sie hatten sogar das gut hinbekommen, was Christophers Autounfall umso unbegreiflicher machte. Er war den Hutchinson Parkway täglich entlanggefahren. Tag für Tag. Und dann unterlief ihm einer dieser Fehler, die passieren, wenn man nicht mehr aufpasst.
Gus Simpson passte immer auf: Sie wusste, dass jeder Moment und jedes Detail zählte. Sogar die Tischdekoration.
Das frisch polierte Silber glänzte, als sie es auf die leinenen Platzdeckchen legte; das 16-teilige Set hatte ihrer Großmutter gehört. Jede Familie schafft sich ihre eigenen Mythen - der harte Winter, der allen schwer zu schaffen machte, die lange und eigentlich unmögliche Reise aus der Alten Welt quer über den Atlantik. Auch Gus’ Familie pflegte so einen Mythos. Es war Das Streben nach schönen Dingen . Und so wurde unter großen Opfern das Silberbesteck (ein bisschen zu verschnörkelt für den heutigen Geschmack) gekauft, ein Set pro Jahr von Tiffany & Co, und von späteren Generationen nur für die großen drei Feiertage - Weihnachten, Ostern und Thanksgiving - hervorgeholt. Manchmal, so wurde erzählt, reichte das Geld nur für einen Löffel. Messer und Gabel mussten warten, bis fettere Jahre kamen. Und so wuchs das Besteckset über die Generationen - jedoch nicht, ohne zu Spannungen innerhalb der Familie zu führen - von der Mutter zur ältesten Tochter, weiter zur Enkeltochter und schließlich zu Gus, bei der das Besteck häufiger zum Einsatz kam als je zuvor. Zweifellos hätte ihre Großmutter den Kopf darüber geschüttelt, wie oft Gus das gute Geschirr und Besteck benutzte. Schonen, und noch mal schonen, für später. Das war das Motto gewesen. Das Gute nur hervorholen, wenn
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