Wenn Frauen zu sehr lieben
die Erzählerin und für sich selbst spüren, wenn Sie an Ihre damalige Situation zurückdenken.
Indem Sie darüber sprechen, geben Sie anderen Hoffnung und sich selbst Anerkennung für all das, was Sie auf sich genommen haben, um gesund zu werden. Ihre Tapferkeit und Ihr gesamtes Leben erscheinen Ihnen in einem neuen Licht.
Welche Folgen hat dieser Schritt?
Sie helfen anderen auf ihrem Weg zur Genesung. Und Sie sorgen für Ihre eigene Gesundheit.
Andere an Ihren Erfahrungen und Lernprozessen teilhaben zu lassen, ist letztlich ein Akt gesunden Eigennutzes: Die Prinzipien der Genesung, mit denen Sie dadurch weiterhin in Kontakt bleiben, werden Ihr Leben lang Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlergehen dienen.
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Genesung und Nähe – die Lücke schließt sich
Die Ehe ist für uns eine Reise zu einem unbekannten Ziel … der Entdeckung nämlich, dass Menschen sich gegenseitig nicht nur an dem teilhaben lassen müssen, was sie
voneinander
nicht wissen, sondern auch an dem, was sie von sich
selbst
nicht wissen.
– Michael Ventura,
‹Shadow Dancing in the Marriage Zone›
V or allem will ich eines wissen: Was ist bloß aus meinen sexuellen Gefühlen geworden?» Ann läuft mit großen Schritten auf das Sofa in meinem Büro zu. Sie wirft mir diese Frage scheinbar spielerisch zu, aber als sie an mir vorbeiläuft, sehe ich in ihren funkelnden Augen etwas Vorwurfsvolles. Auch an ihrer linken Hand funkelt etwas: ein diamantener Verlobungsring. Ich beginne zu ahnen, weshalb sie mich aufgesucht hat. Acht Monate sind seit unserer letzten Sitzung vergangen, und heute sieht sie besser aus als je zuvor: Ihre braunen Augen leuchten, und die leicht gewellten rötlich braunen Haare sind länger und voller als früher. Ihr Gesicht hat noch immer etwas Kindliches, Verspieltes, gleichwohl sehr Reizvolles – aber früher wechselte der Ausdruck darin nur zwischen «trauriges kleines Waisenkind» und «zornige Intellektuelle», während dasselbe Gesicht heute etwas Frauliches, Erwartungsvolles zeigt. In den drei Jahren seit ihrem Selbstmordversuch, als die Affäre mit Jim, dem Polizisten, zu Ende war, hat sie einen weiten Weg zurückgelegt.
Es ist gut für mich zu sehen, dass ihre Genesung weiter voranschreitet. Ann weiß es noch nicht, aber die sexuellen Probleme, denen sie jetzt begegnet, sind unvermeidlicher Bestandteil dieses Genesungsprozesses.
«Erzählen Sie mir davon», fordere ich sie auf. Sie lehnt sich in der Couch zurück.
«Ich bin mit einem wundervollen Mann zusammen. Erinnern Sie sich noch an Hal? Als ich das letzte Mal zu Ihnen kam, da kannten wir uns schon.»
Ich erinnere mich sehr wohl an diesen Namen. Hal war einer der jungen Männer gewesen, mit denen Ann gegen Ende ihrer Therapie gelegentlich ausging. «Er ist nett, aber ein bisschen langweilig», hatte sie damals über ihn gesagt. «Ich unterhalte mich immer sehr gern mit ihm, und er macht einen stabilen vertrauenswürdigen Eindruck auf mich. Außerdem sieht er noch gut aus; aber ich kriege kein Herzklopfen, wenn ich ihn treffe, also wird er wohl nicht der Richtige sein.» Damals war sie mit mir der Meinung gewesen, dass sie sich darin üben musste, mit aufmerksamen, verlässlichen Männern zusammen zu sein; sie entschloss sich also, ihn weiterhin zu treffen, «nur zum Trainieren».
Ann erzählt stolz weiter: «Gott sei Dank ist er ganz anders als die Männer, mit denen ich mich früher eingelassen habe; wir sind verlobt und wollen im September heiraten … aber wir haben – wir haben gewisse Probleme. Genauer gesagt: nicht wir, sondern ich. Ich fühle irgendwie keine richtige Erregung, und weil ich damit früher nie Probleme hatte, will ich wissen, was auf einmal mit mir los ist. Sie wissen doch noch, wie ich früher war. Keiner dieser Männer damals hat mich geliebt, und jeden einzelnen habe ich praktisch angefleht, mit mir zu schlafen. Aber seit ich mich den Männern nicht mehr an den Hals werfe, bin ich wie eine prüde, verklemmte alte Jungfer. Hal ist ein gut aussehender, verantwortungsvoller, vertrauenerweckender Mann, und er liebt mich wirklich. Aber ich liege mit ihm im Bett und fühle mich wie ein Holzklotz.»
Wie viele Frauen, die zu sehr lieben, steht auch Ann vor einer Hürde, die sie im weiteren Verlauf ihres Genesungsprozesses überwinden muss. Diese Frauen haben ihre Sexualität als Werkzeug eingesetzt, um einen schwierigen oder unzugänglichen Mann dazu zu bringen, dass er sie liebt – das heißt: Sie
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