Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
in Leeton getan hatte. Da wir selbst weder eine Kamera noch einen Wagen besaßen, war es für uns
wie Urlaub, wenn Bill auftauchte. Über die Weihnachtsferien lud Bill Tony und mich auf seine Obstplantage ein, wo er uns beibrachte, mit dem Traktor zu fahren und Bewässerungsgräben zu ziehen. Wir halfen ihm beim Aprikosenpflücken und schleppten die Segeltuchsäcke, die fast so groß waren wie wir.
Manchmal fragte ich mich, ob Bill vielleicht unser »Vater« werden würde, aber nach Auffassung der Kirche war Mama immer noch mit Papa verheiratet, obwohl er uns verlassen hatte. Sie hat nie wieder geheiratet, weil die Kirche es nicht erlaubte. Bertie überredete Mama, die Scheidung einzureichen, um Papa auf diese Weise zu zwingen, Unterhalt für uns Kinder zu zahlen, aber es funktionierte nicht. Papa war verschwunden und trug nicht zu unserer Erziehung bei.
An Sonntagen gingen wir zu Fuß in die Stadt, um die Messe zu besuchen. Mama schob Judy im Kinderwagen über die Steigungen des Hume Highways, während der Rest von uns über den Kies am Straßenrand stapfte.
Wir waren bodenständige Katholiken. Die Gewissheiten des Glaubens waren über Generationen weitervererbt worden: Lebe ein gutes Leben, und du wirst am Jüngsten Tag auferstehen und ewig leben. Unser Glaube gab uns Rituale, die »Freitags-Fisch-Identität«, und ein Sinngerüst, an dem wir unser Leben festmachten. »Was du tust, ist wichtiger als das, was du zu glauben behauptest«, brachte Mama uns bei. Aus einem unerfindlichen Grund war es unserer Familie ein wenig peinlich, über Religion zu sprechen, obwohl Mama mich, wie sie sagte, nach einer Heiligen benannt hatte.
Als meine Schwester Gabrielle bei der Geburt gestorben
war, war Mama am Boden zerstört gewesen. Sie bekam eine Brustdrüsenentzündung und durfte in ihrem Schmerz nicht einmal die kleine Leiche sehen. »War sie missgestaltet?«, hatte sie die Krankenschwester gefragt. »Wohin hat man sie gebracht?« Keiner gab ihr eine Antwort. Nichtsdestotrotz bat Mama die Klarissinnen, für sie zu beten, denn sie wünschte sich verzweifelt, noch ein Kind zu bekommen, und als ich zur Welt kam, nannte Mama mich Colette - nach der Heiligen, die den Orden der Schwestern reformiert hatte und die, wie man sagte, unter schwierigen Umständen geboren worden war.
1965 wurde Mama Leiterin der Donkin Memorial Nursery School in Moss Vale, etwa acht Kilometer von Mittagong entfernt. Ihr Arzt hatte ihr eine Referenz ausgestellt, und damals benötigte man keinerlei besondere Qualifikation, um Vorschulkinder zu betreuen. Wir kauften einen blauen Morris Minor aus zweiter Hand, damit sie zur Arbeit fahren konnte, wo sie sich mit einer Hilfskraft um etwa dreißig Kinder zu kümmern hatte. Judy, inzwischen achtzehn Monate, war alt genug, um mit Mama in den Kindergarten zu gehen, während Rod, Tony und ich mit dem Bus den Weg zu unserer Schule in Mittagong zurücklegten.
Da Mama so lange im Kindergarten bleiben musste, bis auch das letzte Kind abgeholt worden war, kam sie eines Tages erst sehr spät nach Hause, und ich hatte schon angefangen, Tee für uns zu machen.
»Ich habe mir keine großen Sorgen gemacht, Mama; ich wusste nicht, wie ich den Rasenmäher hätte anmachen sollen, wenn du länger nicht zurückgekommen wärst.«
»Sei nicht albern«, erwiderte Mama, »natürlich würde
ich zurückkommen. Ich musste eine Stunde lang warten, bis Mrs Johnson endlich Brian abholte. Ihr Wagen war liegen geblieben.«
Etwa ein Jahr darauf zogen wir alle um in ein Haus in Moss Vale, von wo aus sich Mamas Arbeitsstelle und unsere neue Grundschule zu Fuß erreichen ließen. Es war Winter, und wir verbrachten die erste Nacht im neuen Haus ohne Heizung, in graue Decken gehüllt. Als wir mit Kerzen in der Hand das vordere Schlafzimmer betraten, schrien wir alle, als eine Fledermaus aus der Dunkelheit herabstieß. In der folgenden Nacht scharten wir uns um den lodernden Kamin im Wohnzimmer, wo wir es bei eingeschalteter Beleuchtung warm hatten und uns sicher fühlten.
Hinter dem Haus erstreckte sich ein zweitausend Quadratmeter großes Wäldchen aus Terpentinkiefern, in denen eine Elsterfamilie wohnte. Am Morgen weckten sie uns mit ihrem Trällern. Während der Nistzeit stürzten sie sich auf jeden, der unsere Straße entlangging, und die Leute mussten Stöcke oder Eimer über ihre Köpfe halten, doch uns ließen sie in Ruhe. Nach einiger Zeit brachten die Altvögel dann die jungen Elstern auf die Wiese unter der Wäscheleine, um uns
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