Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Französischunterricht wurde ich verwiesen, weil ich der Schwester widersprach, die uns beibrachte, dass Mauritius eine Kolonie Frankreichs sei, so wie Australien eine Kolonie Großbritanniens war. Ich erinnerte die Schwester daran, dass Australien keine englische Kolonie mehr war, und wurde daraufhin auf den Flur hinausgeschickt, wo ich bis zum Rest der Stunde ausharren musste. Schwierigkeiten bekam ich auch, weil ich bei »God Save the Queen«, unserer damaligen Nationalhymne, hartnäckig sitzen blieb.
Nach dem Verständnis der Kirche waren wir eine »kaputte Familie«, und ich litt an den üblichen Unsicherheiten eines vaterlosen Kindes aus einer Familie mit geringem Einkommen. Ich besaß weder die Kleider noch das Selbstvertrauen, um mit einigen der Internatsschüler in Wettstreit zu treten, und so war ich bei Tanzveranstaltungen
und Ausfügen immer gehemmt. Doch es war eine kleine Schule, und ich kam ganz gut zurecht. Zusammen mit Liz, eine »Tagwanze« wie ich, hatte ich unter den Internatsschülerinnen viele gute Freundinnen. Die Internatsschülerinnen suchten immer nach Wegen, die Beschränkungen und die Reglementierungen des Klosterlebens zu umgehen. Tag für Tag hielt der Priester vom Chevalier College in Bowral die Morgenmesse für die Nonnen ab. Während die Nonnen beschäftigt waren, versteckten die Internatsschülerinnen Briefe hinter den Radkappen des priesterlichen Autos, die so zu den Jungs seiner Schule gelangten. Er fuhr nach Hause, ohne zu wissen, dass er Cupidos Postbote war. Die Internatsschülerinnen baten mich auch, ihnen für ihre mitternächtlichen Feste besondere Lebensmittel zu besorgen, weil ihre Besuche in der Stadt streng reglementiert waren. Ich war froh, helfen zu können, denn schließlich waren es meine Freundinnen, und es hatte auch etwas Abenteuerliches, sich einigen Regeln zu widersetzen. Ich glaube, die Schwestern wussten recht viel von dem, was sich da abspielte, drückten aber ein Auge zu. Wenn die Internatsschülerinnen ihren Ausgehtag hatten, kamen sie zum Essen zu uns nach Hause, und während der Ferien fuhr ich mit zu ihnen an Orte wie Tumut oder Canberra. Mit Bren ging ich zum Reiten auf ihren Bauernhof in Tumut und besuchte Denise, eine Diplomatentochter, deren Mutter wunderbar gewürzte Speisen und chinesisch gebratenes Schweinefleisch kochte, eine Abwechslung von meiner Ernährung, die aus »Fleisch und zwei Gemüsesorten« bestand. Abgesehen von hin und wieder Fish and Chips an Freitagen aß unsere Familie nie außer Haus.
Musik bedeutete mir sehr viel, und so arbeitete ich in einer Hundezucht für Cockerspaniels, um mir Taschengeld zu verdienen und ein Tonband leisten und die Gebühren für meinen Schwimmklub zahlen zu können. Ich fütterte die Hunde und reinigte ihre Zwinger, die aus alten Straßenbahnwagen bestanden. In den kalten Wintern des südlichen Hochlands musste ich das Eis aufbrechen, das sich auf ihren Wassernäpfen gebildet hatte, damit sie am Morgen etwas trinken konnten. Miss Harper, die Besitzerin, schenkte mir Peggy, eine Cockerspaniel-Hündin, die mir überallhin folgte und eine großartige Freundin war, auch wenn sie sich manchmal in Kuhmist wälzte und unsere Schuhe versteckte, sodass wir frühmorgens schon in Panik gerieten.
Meine Brüder kamen in die Highschool aufs Chevalier in Bowral, damals eine katholische Schule nur für Jungs, Judy kam auf die Schule von St. Paul’s. Der handwerklich sehr begabte Tony reparierte alles und schlug mich beinahe beim Schach, Rod durchstöberte Schrottplätze nach alten Fernsehern und Lautsprechern, die er dann wieder funktionsfähig machte. Immer wieder stieg er aufs Dach, um die Antenne in verschiedene Richtungen zu drehen, während die kleine Judy ihm aus dem Fenster zurief, ob ein Bild zu sehen war oder nicht.
Schwester Frederick, unsere junge Religionslehrerin, forderte uns auf, über den Krieg in Vietnam, das Leid der Armen und andere soziale Fragen zu diskutieren. »Stellt euch vor, ihr wärt in einem anderen Land geboren, wo eure Familie sich nur mit Müh und Not über Wasser halten kann«, sagte sie.
»Aber wir können doch nichts dafür, Schwester, wo wir geboren werden«, warf ich ein, weil ich Schuldgefühle hatte, in einem »glücklichen Land« aufzuwachsen.
»Nein, das nicht, aber du kannst die Chance nutzen und das Beste aus den Fähigkeiten machen, die du mitbekommen hast, und etwas davon zurückgeben«, erwiderte sie. Ihr Mitgefühl berührte mich und motivierte mich, nachzudenken,
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