Wenn ich einen Wunsch frei haette
nach mir suchen, kann ich nicht vor ihnen weglaufen. Mein Vater ist hier, aber er wird mich nicht beschützen können.
Ich bin der jüngste von drei Brüdern in meiner Familie. Schwestern habe ich keine. Ich hätte gern eine Schwester. Ein paar von meinen Freunden, die Schwestern haben, mögen sie nicht besonders, aber ich wüsste gern, wie es ist, wenn man eine Schwester hat. Ich bin froh, dass mein Vater bei mir im Krankenhaus bleibt, damit ich nicht so allein bin. Die Krankenschwestern und Ärzte sind auch nett zu mir.
Es gab schon immer Soldaten in meiner Stadt. Ich fürchte mich nicht vor ihnen. Ich habe mein eigenes M16-Sturmgewehr. Das habe ich mir aus einem Stück Holz geschnitzt. Damit schieße ich genauso auf die Soldaten, wie ich es tun würde, wenn es eine echte Waffe wäre. Sie machen mir keine Angst. Die anderen Jungs und ich, wir passen aufeinander auf. Wenn einer verwundet wird, helfen wir alle, ihn von der Straße zu tragen, so wie es bei mir war.
Ich kämpfe oft gegen die Soldaten. Es tut gut, sie mit Steinen zu bewerfen. Sie haben in meiner Stadt nichts zu suchen, also werfe ich Steine, um sie zu vertreiben. Sie machen schlimme Sachen. Sie verhaften Palästinenser, sogar Kinder, und zwingen sie, mit verbundenen Augen und auf dem Rücken gefesselten Händen dazusitzen. Sie sprengen die Häuser von Leuten in die Luft. Sie sind schuld, dass wir hungern müssen. Ich kann sie nicht leiden.
Ich bin schon oft von Gummigeschossen getroffen worden |107| . Auf Brust und Beine haben sie mir damit geschossen. Das tut sehr weh. Und man bekommt dicke Blutergüsse davon. Zuerst waren sie grün, dann gelb. Auch mit Gas haben sie mich schon beschossen. Wenn das in die Augen kommt, brennen sie und tränen.
Meine Beine tun sehr weh. Heute tut mir alles weh. Meine Beine stecken in dicken Gipsverbänden, und ich muss die ganze Zeit hier rumliegen. Ich darf sie nicht bewegen. Ich darf mich weder aufsetzen noch gehen noch irgendetwas anderes machen.
Ich kenne keine Israelis. Ich will auch keine kennen. Sie sind nicht wie ich. Sie denken nur ans Töten. Die Erwachsenen lieben zwar ihre eigenen Kinder, aber die Kinder von anderen halten sie für wertlos.
Ich habe nur einen Wunsch. Bald gesund zu werden, damit ich wieder gegen die Israelis kämpfen kann.
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Yibaneh, 18
K ids for Kids ist eine Jugendorganisation, die junge Opfer terroristischer Gewalt betreut. Sie bietet direkt oder indirekt von terroristischen Bombenanschlägen betroffenen Kindern Therapie- und Beratungsmöglichkeiten, beschafft Spielzeug und sorgt für Erholung. Neben den vielen Kindern, die in diesem Krieg umkommen, gibt es auf beiden Seiten Tausende, die verwundet, verbrannt, verkrüppelt und traumatisiert werden oder durch die Kämpfe ihr Augenlicht verlieren. Kids for Kids ist eine der Gruppen, die diesen Kindern zu helfen versuchen. Die Organisation hat ein gemütliches Büro im jüdischen Viertel der Altstadt von Jerusalem. Dort ist die Stimmung offen und entspannt.
Yibaneh hat vor kurzem einen engen Freund verloren, als ein palästinensischer Amokschütze an einer Schule in seiner Siedlung das Feuer eröffnete. Er hat sich Kids for Kids angeschlossen und hilft dabei, eine Ferienfreizeit für andere junge Leute zu organisieren, um ihnen eine Erholungspause vom Krieg und von ihrem Leid zu ermöglichen.
Ich bin in Israel geboren. Ich wohne in einer Siedlung namens Silo nördlich von Jerusalem. Dort leben schon seit über 3 000 Jahren Juden. Bereits in der Bibel wird dieser |109| Ort erwähnt, im Buch der Richter und an anderen Stellen. An diesem Ort wurde dem Propheten Samuel Gottes Offenbarung zuteil. Die antiken Ruinen der alten Stadt stehen noch immer.
Die moderne Siedlung ist natürlich viel neuer. Da haben wir ein großes Schwimmbad, eine Bibliothek, Geschäfte – was man eben so braucht. Viele Schriftsteller wohnen dort und Künstler, aber auch Schreiner und Leute mit vielen anderen Berufen. Wir sind eine kleine Gemeinde und deshalb stark aufeinander angewiesen. Ich habe sechs Geschwister. Wir sind alle sehr aktiv in der Schule, in Jugendgruppen und anderen Organisationen.
In den letzten zehn Jahren hat sich vieles verändert in Israel. Vor zehn Jahren, während der ersten Intifada, war es noch relativ ruhig. Die Palästinenser haben uns mit Steinen beworfen, aber das war nicht so wild. Damals sind nur wenige Israelis umgekommen. Inzwischen ist das anders. Sie haben meinen Freund ermordet. Heutzutage wird viel
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