Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
und spürte, wie sich alles in ihm zusammenzog. „Dazu musst du nichts sagen. Es ist bereits alles gesagt und es ist in Ordnung. Das habe
ich
dir bereits gesagt. Es war ein langer Tag. Leg dich einfach hin und versuch zu schlafen.“
Sie sah ihn mit einem gemischten Blick an: ein Anflug von Ärgernis, Verletzlichkeit und Scham. „Das Bedürfnis, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, gehört nach wie vor zu mir. Vielleicht sogar mehr denn je“, gab sie bedeutungsvoll zurück.
Das war ihm bewusst. Auch, wenn es ihm Angst machte. Wenn er manche Entscheidungen lieber für sie treffen oder von ihr fernhalten würde. Doch er selbst hatte schon so viele falsche Entscheidungen getroffen. Entscheidungen, die ihr nicht gut getan hatten.
„Hast du vergessen, dass du mir versprochen hast, mich meine eigenen Entscheidungen treffen zu lassen?“, fragte sie.
Er presste die Zähne aufeinander und schüttelte den Kopf. Seine Kapitulation. Sie würde sich den Mund nicht verbieten lassen. Sie würde sagen, was sie zu sagen hatte. Er versuchte sich innerlich zu wappnen.
„Ich habe nichts von dem, was ich in deiner Wohnung gesagt habe, ernst gemeint.“
Die Worte hingen unmissverständlich in der Luft. Er öffnete den Mund, nur, um mehr Luft einatmen zu können.
„Merkas ist im Krankenhaus aufgetaucht. Er hat mich vor eine Wahl gestellt. Entweder ich sage dir, dass ich dich für ein Monster halte oder er wird sich an den Menschen vergreifen, die mir wichtig sind. Er hat mir die Wahl gelassen, ob ich es eher ertrage, dich zu verletzen oder zuzulassen, dass er Josh, meine Mum, die Menschen, die mich kennen, verletzt.“
Sie hielt kurz inne – nur, um ihn direkt anzusehen. Er war so gebannt, dass er nicht wegsehen konnte. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Die Gefühle, die darin lagen, prallten gegen ihn. So heftig, dass er befürchtete, gleich auf den Boden zu sinken.
„Es tut mir leid, Nick. Ich konnte nicht zulassen, dass er Menschen verletzt, die überhaupt nichts mit all dem zu tun haben. Die nicht einmal wissen, dass sie plötzlich in irgendeiner Geschichte stecken, die droht, sie zu verschlingen. Ich konnte es nicht riskieren, konnte es nicht zulassen … Ich konnte einfach nicht anders. Es tut mir leid, dass ich mich so entscheiden musste – dass ich mich so entschieden habe. Es tut mir leid … so leid …“ Tränen rannen ihr die Wangen hinab, bis hinein in den Ausschnitt ihres Shirts.
Er war unfähig in irgendeiner Art und Weise zu reagieren. In seinem Kopf lief alles durcheinander, versuchte zu verarbeiten, was sie gerade gesagt hatte, was all das bedeutete.
Mochte Céstine auch noch so listig und hinterhältig gewesen sein, wenn es darum ging, das zu bekommen, was sie wollte: Merkas war derjenige, der sämtliche Grenzen über Meilen hinaus überschritten hatte, als er Gwen ein solches Ultimatum – in vollem Bewusstsein und voller Absicht seiner Auswirkungen – gestellt hatte.
Gwen hielt ihn nicht für ein Monster, für eine Bestie. Keines der Worte, die sie einst in seiner Wohnung an ihn gerichtet hatte, war erst gemeint. Sie alle waren ihr von Merkas in den Mund gelegt worden, um ihn zu durchbohren, zu verletzen, zu zerstören. Und er hatte sie für die Ihrigen gehalten. Er hatte geglaubt, dass sie ihn nach all der Zeit die sie ihn kannte, so sehen würde – sehen könnte. Er hatte sich geirrt. Er hatte es geglaubt. Keines ihrer Worte war ihre Wahrheit gewesen. Bis auf …
Ihm wurde derart schlagartig und übermächtig übel, dass er sich beinahe auf dem Fußboden übergeben hätte. Keines ihrer Worte war ernst gemeint – keines, bis zu dem Zeitpunkt, als er innerlich zusammengebrochen war und auf Autopilot geschaltet hatte. Als er die Seite in sich hatte Überhand nehmen lassen, die all den Schmerz hatte aussperren können, weil sie sich von seinen Gefühlen, seinem menschlichen Teil, abgespaltet hatte. Als er sich selbst zu ihren Worten hatte werden lassen: zu einem Monster, einer Bestie.
Er schwankte, ließ sich auf das Bett sinken uns starrte auf den Boden zwischen seinen Füßen, um nicht den Halt zu verlieren. Nicht wieder. Nicht gänzlich. Immerhin hing er immer noch am seidenen Faden. Hing immer noch zwischen sich selbst und irgendwo im Überall und Nirgendwo.
Erst als er Gwen im Marofláge gesehen hatte, mit all ihren Verletzungen, dem leeren Ausdruck in ihren Augen, hatte er einen freien Atemzug tun können. Hatte so viel Kraft auftreiben können, sie in Sicherheit zu bringen und den Entschluss
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