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Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Titel: Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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Hand, um sie auf seine Wange zu legen. Abermals versuchte er rückwärts auszuweichen und sie von sich fern zu halten.
„Nick, ich …“, sie hielt kurz inne, „Ich vergebe dir. Meine einzige Bedingung ist, dass du fühlst. Bitte fühle. Bitte zeig mir, was du fühlst. Bitte komm zurück. Und bitte verzeih mir …“
Blässe kroch über sein Gesicht. Er sah sie mit weit geöffneten Augen an. Es war schwer zu sagen, ob er erleichtert, erschüttert, fassungslos oder noch etwas anderes war.
Sie trat ein letztes Mal nach vorne, weil er nun die Zimmerwand im Rücken hatte. Als sie langsam ihren Arm hob und ihre Finger auf seine Wange legte, spürte sie ihren pochenden Pulsschlag an ihrem Handgelenk. Nikolaj zuckte unter der Berührung ihrer Haut zusammen und schloss die Augen. Sie betrachtete sein Kinn, die markanten Wangenknochen, seine Lippen, die Wimpern, die leicht zitterten. Dann schmiegte sie ihren Körper eng an seinen, zog seine Arme um sich herum und genoss den Widerstand, den die Wand hervorrief. Sie atmete tief ein und aus, ehe sie flüsterte: „Selbst wenn ich dich hassen wollte, glaube ich nicht, dass ich das wirklich könnte.“
„Du hast mich gehasst.“
Sie zögerte. „Möglicherweise stimmt das …“
„Du hasst mich auch jetzt noch. Du kannst es nur nicht ertragen, jemanden leiden zu sehen. Selbst wenn dieser jemand ich bin.“
Sie hob den Kopf. „Das ist nicht wahr.“
„Bist du dir da wirklich sicher?“ Er klang heiser.
Abermals zögerte sie. Etwas in ihr ließ sie zögern. „Ich weiß nicht, ob ich all das, was geschehen ist, mit einem Schlag vergessen kann, aber ich … ich will nicht, dass es auf ewig zwischen uns steht. Ich will einen Weg finden, der weiterführt – der uns gemeinsam weiterführt. Willst du das nicht auch?“
Er sah sie nicht direkt an, sah an ihr vorbei und schwieg. Dachte nach und schwieg.
„Nick?“
Er umfasste kaum spürbar ihre Taille. „Es geht nicht darum, was ich will, sondern darum, was ich kann. Und ich weiß nicht, wie ich einen gemeinsamen Weg mit dir gehen könnte, nachdem was war, was ich getan habe.“ Er hielt inne. „So sehr ich das auch wollte …“
Sie suchte noch nach einer Erwiderung, als ein flüchtiger Kuss ihre Stirn traf und Nikolaj sie nach hinten schob.
„Ich brauche einen Moment für mich. Ich bin gleich wieder zurück.“ Er sah sie kein weiteres Mal an, entfernte sich in großen Schritten und ließ sie allein im Zimmer zurück.  

FÜNFZEHN
     

     

    Gwen stand noch einige Minuten unbewegt da und starrte die Innenseite der Tür an, ehe sie sich auf dem Bett niederließ. Sie fühlte sich, als wäre ein Knoten geplatzt. Ein Knoten, der in ihrer Brust gesessen und ihr das Sprechen, Bewegen und Atmen erschwert hatte. Sie tat einen tiefen Atemzug, um die neue Freiheit auszukosten, die sich ihr soeben erschlossen hatte. Genoss das Gefühl irgendwie im Frieden mit sich zu sein, obwohl zeitgleich, nach wie vor, immer noch Trauer und Schmerz zu spüren waren.
Im Geiste ließ sie alles, was gerade eben passiert und gesagt worden war, Revue passieren: Nicht Nikolaj war es gewesen, der um Verzeihung gebeten hatte, sondern sie. Nicht Nikolaj war es gewesen, der an einer gemeinsamen Zukunft festhalten wollte – konnte –, sondern sie. Aber Nikolaj war es, der weit mehr Hass sich selbst gegenüber empfand, für das, war er getan hatte, als sie es tat. Er war es, der sich seinen Gefühlen nicht stellen wollte und konnte, weil er andernfalls in ihnen ertrinken würde, nicht sie. Nicht, weil sie glaubte, dass sie stärker war als er, sondern weil sein Inneres anders, dunkler gestrickt war, als ihres.
Denn auch, wenn ihre Gefühle und Empfindungen sie lange Zeit sprichwörtlich hinabgedrückt und unter sich begraben, sie fest im Griff gehabt hatten, so hatte sie sie trotzdem nicht verleugnen oder „nicht empfinden“ können. Weil sie sich andernfalls nur noch wie eine leblose Puppe vorgekommen wäre. Sich des Gefühls und Kontakts für sich selbst beraubt.
Und dennoch war sie bis gerade eben von einigen Gefühlen abgeschnitten gewesen. Weil andere Gefühle und Empfindungen sie unter sich begraben und verschüttet hatten. Aber als sie Nikolaj von Merkas Intrige erzählt und er begonnen hatte, zu realisieren, was das bedeutete, war etwas in ihrem Inneren geschmolzen. Erst langsam, dann immer mehr. Zu
sehen
, dass er wirklich gemeint hatte, was er gesagt hatte – dass er nicht fühlen konnte, weil die Intensität dessen derart ausufernd und

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