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Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Titel: Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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… Du musst etwas falsch verstanden …“ Sie brach ab.
„Ich habe nichts falsch verstanden, weil sie mir nicht gesagt hat, was ich tun muss – dass ich
das
tun muss“, erwiderte Gwen. „Was sie gesagt hat, ist, dass ich ein freiwilliges Opfer bringen müsse.“
Jonathan sog heftig nach Luft. „Ein freiwilliges Opfer …? Das hat sie gesagt? Und du wolltest dennoch …“ Er kam nicht weiter. Weil er nicht mehr sagen konnte oder wollte, wusste sie nicht genau. Er schien nicht minder erschüttert über die Szene, die sich ihnen dargeboten hatte – immer noch darbot. Über das, was Hekate von Gwen verlangt haben sollte. Ein Leben. Nikolajs Leben. Zu der Fassungslosigkeit stieg Wut in ihr auf, ohne dass sie es ändern konnte. Wie konnte sie das verlangt haben? Wie konnte sie das erwartet haben – ausgesprochen oder nicht ausgesprochen. Sie musste gewusst haben, dass Nikolaj Gwen liebte und dass Gwen ihn liebte. Wie grausam war das denn!?
„Ihr habt gehört, was er gesagt hat, oder …?“, flüsterte Gwen und sah zu ihr und Jonathan auf.
„Was meinst du?“, entgegnete sie leicht verwirrt.
„Er sagte, ich sei seine Sonne. Die Sonne, die ihn lebendig hält. Hekate sagte, meine Gabe sei das Licht. Wenn nun das Licht gleichbedeutend mit der Sonne ist, oder die Sonne gleichbedeutend mit Licht und für Leben steht? Seit ich klein war, wollte ich Menschen helfen. Deswegen bin ich Ärztin geworden. Es ist der rote Faden in meinem Leben. Helfen … heilen … Leben retten …“
Sie drückte kurz Jo´s Hand, dann stand sie auf, ging die Schritte bis zu Gwen und Nikolaj und ließ sich neben ihnen nieder. „Du denkst, du kannst ihn retten?“
„Ich
muss
ihn retten können“, gab Gwen voller Dringlichkeit zurück.
„Aber …“, Unbehagen erfüllte ihren Magen. „Du hast gesagt, du müsstest ein freiwilliges Opfer bringen. Wenn er das Opfer war, muss er dann nicht … Ist dann nicht alles, wie es sein
soll
?“ Dieses „Soll“ schmeckte falsch in ihrem Mund. Das hier konnte nicht sein, wie es zu sein hatte.
„Nikolaj hat mich verletzt – sehr verletzt. Trotzdem kann – will – ich ihn nicht aus meinem Leben streichen. Weil er mir zu viel bedeutet, als dass ich das könnte. Weil ich ihn liebe. Über das hinaus, was er getan hat. Ich habe den, den ich liebe, eigenhändig getötet. Ohne zu wissen, ob ich ihn retten, ob ich mein Versprechen …“, Gwen schluchzte, „einhalten kann. Findest du nicht auch, dass das als Opfer reicht …?“
Hoffnung glomm in ihr auf, gefolgt von einer feurigen Entschlossenheit. „Ja, du hast Recht. Das reicht. Es reicht zweimal – ach was sag ich, hundertmal! Diese Geschichte geht nicht ohne Happy End aus.“ Sie nahm Gwens Hand und drückte sie. „Dafür werden wir sorgen.“
„Wir …?“, hauchte Gwen fragend.
„Ja, wir. Du bist nicht allein. Jo und ich sind bei dir – und wir glauben an dich. Hör einfach auf das, was du in dir wahrnimmst. Folge dem, was du fühlst und ich bin überzeugt, dass alles gut wird.“
Gwen schluckte. „Ja, alles wird gut … alles wird …“
„Nein!!“ Ein Schrei voller Entsetzen und Fassungslosigkeit. Sie und Gwen schraken auf und blickten zu Jonathan, doch erkannten sie schnell, warum er geschrien hatte. Merkas Körper lag nicht mehr am Boden. Er stand aufrecht und sah zu ihnen herab. Ein rotes Funkeln lag in seinen blutunterlaufenen Augen und brannte sich in ihre Iris.  

***
     

     

    Nikolaj spürte, dass er rücklings auf hartem Grund lag, der aus einer Vielzahl von Erhöhungen und Vertiefungen bestand, die deutlich gegen seine Wirbelsäule drückten. Um ihn herum war alles still. Grabesstill. Noch ehe er mehr erfassen, mehr sehen, die Augen öffnen konnte, lief ein rasend schneller Film in seinem Inneren ab. Ein Film voller pulsierender bunter Bilder, Empfindungen und Geräusche:
Dunkelheit. Zerrissenheit. Ein Junge mit schwarzem Haar und schwarzen Augen. Gleißendes Sonnenlicht. Grüne Wiesen. Wärme. Ein Mädchen. Sterne. Verlust. Hass. Sex. Gewalt. Gwen. Heimkommen. Sehnsucht. Verrat. Leere. Ein Mann, im Türrahmen stehend. Eine Umkleidekabine. Der Duft von Vanille. Ein Grab. Das Marofláge. Blut. Merkas. Ein Krankenhauszimmer. Ein schwarzer Van. Italien. Scham. Selbsthass. Vergebung. Der Geruch von Schießpulver. Toter Wald. Seine Hand um Gwens Taille. Explosionen. Ein Kampf. Gwens Versprechen. Schmerz in seiner Brust. Kälte. Und nichts mehr.
Der Film seines Lebens.
War er tot? Er spürte einen Grund unter sich – spürte

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