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Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)

Titel: Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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zu fassen ihr ein für alle Mal aus diesem Horror herauszuhelfen. Indem er dafür sorgte, dass Merkas aus ihrem Leben verschwand. Indem er dafür sorgte, dass
er
aus ihrem Leben verschwand. Seine Hände zitterten, ohne dass er sie ruhig halten konnte.
Plötzlich ging sie vor ihm auf die Knie. Ein warmes, zierliches Händepaar stülpte sich über seine Finger und hielt sie fest. Sein Inneres schrie, jaulte, bettelte. Er konnte die kurze Distanz, die ihr Gesicht von seinem trennte, kaum ertragen, konnte sie nicht ansehen, konnte gar nichts tun. Nichts, außer versuchen, sich nicht gänzlich in dem Schmerz zu verlieren, der abermals in ihm emporstieg und sich mit dem Kummer des Hier und Jetzt vermischte.  

***
     

     

    Gwen kniete vor Nikolaj, hielt seine Hände und sah durch einen nebligen Tränenschleier, wie er zitterte. Seine Hände in ihren haltend versuchte sie ihn zu beruhigen, doch musste auch sie kämpfen. Mit dem, was sie fühlte und mit dem, was sich von ihm auf sie übertrug. Doch wie er so vor ihr saß, seiner starken, abweisenden und emotionslosen Mauer beraubt, fing auch in ihr etwas an, in sich zusammenzufallen: die Distanz, die sie selbst aufgebaut hatte; die Angst, die sie seither in sich trug; der Zorn – oder war es gar Hass? – der sich in ihr Herz eingeschlichen hatte, ohne dass sie es bewusst oder absichtlich zugelassen oder bemerkt hatte. Stattdessen keimte etwas anderes, neu und doch alt, in ihr auf: Gefühle von Nähe, Vertrautheit, Mitgefühl, Zuneigung und Sehnsucht.
Sie wusste nicht, wie lange sie so verharrt hatte, doch irgendwann machte Nikolaj sich von ihr los und stand auf. Ihr Blick verfolgte ihn. Abwartend. Seltsam klar und befreit.
„Ich fände es gut, wenn du dich nun schlafen legst.“
Wieder dieser monotone Ton. Wieder diese Abwesenheit.
Nein!
Sie erhob sich und sprach mit lauter Stimme. „Gibt es nichts, was du sagen willst?“
Seine Schultern hoben und senkten sich bei jedem Atemzug, doch gab er keine Antwort. Das war nicht in Ordnung. Diesmal nicht. Nicht mehr. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, scherte sich nicht, dass noch mehr Tränen nachflossen und trat dicht vor ihn. „Sag etwas! Ich will, dass du etwas sagst! Jetzt! Sag mir, was du fühlst! Verschließ dich nicht wieder! Tu nicht so, als würdest du nichts empfinden, weil ich gerade eben genau gesehen habe, dass du etwas empfindest! Wieso zeigst du es nicht? Warum redest du nicht mit mir?“ Ihre Stimme bebte leicht, doch mehr vor Entschlossenheit als vor Wut.
„Weil es mich umbringt, darum!“, schoss Nikolaj zurück. Er öffnete sich, es war zu spüren, als hätte man eine Tür geöffnet, durch die ein Windzug hereinkam. Nur war es ein peitschender, heißer und elektrisierender Sturm, der förmlich explodierte und den Raum ausfüllte. „Wenn ich zulasse, dass ich fühle, was ich fühle, dann bringt es mich um! Ich habe dich verletzt! Ich habe dich auf so viele Arten verletzt! Ich habe deinen Vater umgebracht! Ich wollte dich, also habe ich dich genommen! Deinen Körper, deinen Geist! Ich habe dich wie ein Spielzeug behandelt, das mir gehört! Ich habe dich in meine Welt gebracht, wo du fast gestorben wärst! Ich muss mich verschließen, damit ich mich nicht wieder verliere! Ich kann nicht offen sein, wie du es gerne hättest! Ich kann mir nicht erlauben, zu fühlen, weil ich es nicht ertrage, ohne in tausend Fetzen gerissen zu werden! Ich muss bei mir bleiben, bis du in Sicherheit bist! Bis du dein Leben weiterleben kannst! Ohne Merkas, Sensaten, Luzifer und mich!“ Er keuchte. Keuchte und bebte. Keuchte und bebte und schiffte am Rande eines Abgrundes entlang, der nicht sichtbar, aber dennoch fühlbar war.
Es war ein Impuls. Ein unerklärlicher und unergründlicher Impuls, wie damals. Sie trat in einem großen Schritt nach vorne, legte erst beide Handflächen auf seine Brust, dann ihre Lippen auf die seinen. Sanft. Vorsichtig. Nur der Hauch einer Berührung. Der Hauch einer Annäherung. Der Hauch eines Rettungsankers.
Er drückte sie von sich und taumelte rückwärts. „Nein …!“
Das Herz will, was es will.

Eine Stimme in ihrem Kopf. War das Hekates? Oder war es ihre eigene? Wessen auch immer, sie sprach die Wahrheit.
Das Herz will, was es will.
Egal, wie verletzt es ist. Egal, welchen Schmerz es empfindet.
Das Herz will, was es will.
Nur, dass man manchmal nicht mehr erkennen oder fühlen kann, was das ist, weil Verletzungen eine steinerne Mauer aufgebaut haben.
Abermals ging sie auf ihn zu, hob eine

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