Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
Erinnerung an die Oberfläche ihres Geistes: Dieses strahlende Weiß in Richtung Grund, Himmel und Weite hatte sie schon einmal gesehen. Sie hatte sich schon einmal in dessen Mitte befunden.
Aufgeregt drehte sie sich im Kreis und schickte ihre Augen auf die Suche. Tatsächlich. Sie hatte sich nicht geirrt. Hekate, abermals gekleidet in das ärmellose lila Kleid, das wie eine Tunika wirkte, kam anmutig, ein Lächeln auf den Lippen, auf sie zugeschritten. Ihre Augen funkelten, ihre magische Aura war wie beim letzten Mal kraftvoll und betörend. „Es ist schön, dich wiederzusehen, mein Kind.“ Sie strahlte mütterliche Wärme und Geborgenheit aus, die sie voller Herzlichkeit willkommen hieß.
„Ich freue mich au …“ Gwen brach ab und geriet in einen rasch dahin fließenden Strom aus Gedanken. Was war passiert, ehe sie hier gelandet war? Beim letzten Mal war sie einen Abhang hinuntergestürzt – war ihr abermals etwas zugestoßen? War sie deswegen hier? Hatte sie deshalb herkommen können? „Bin ich … verletzt? Wie konnte ich hierherkommen?“
„Keine Sorge, mein Kind. Es ist alles in Ordnung“, beruhigte die Hexengöttin sie. „Du liegst im Bett und schläfst. Ich bin sehr glücklich darüber, dass du nicht deiner Angst und Panik, sondern meiner leisen Einladung gefolgt bist.“
Sie atmete erleichtert auf, ehe sie die Worte in Gänze begriff. „Dass mit diesem Gefühl warst du?“
„So ist es. Ich hatte gehofft, dass du darauf vertrauen würdest. Und das hast du getan. Somit konntest du hierher gelangen.“
„Aber Marah und ich haben die ganzen vergangenen Tage versucht mit dir in Kontakt zu treten – gemeinsam. Warum hat das nicht funktioniert?“
„Ein derartig klares Gespräch, wie wir es im Moment führen, ist nicht einfach herbeizuführen. Genau genommen „sollte“ es gar nicht in dieser Form stattfinden. Normalerweise kommuniziere ich mit meinen Kindern über die Art und Weise, die dir versichert hat, dass es sicher für dich ist, dich schlafen zu legen.“
„Also über das Gefühl?“
„Impulse, Gedanken, Ahnungen, Gefühle … Je mehr eine Hexe sich darauf einlässt, je öfter sie diesen Impulsen vertraut, desto klarer und greifbarer werden sie. Damit meine ich sowohl die Impulse, die ich euch von Zeit zu Zeit eingebe, als auch eure ureigene Intuition, die euch zuflüstert oder spüren lässt, ob ihr etwas tun solltet oder nicht, ob etwas wahr oder falsch ist. Dass Marah und du trotz eurer festen Absicht und vereinten Geisteskraft nicht zu mir durchdringen konntet, hat verschiedene Gründe.“
„Nämlich?“ Sie hob abrupt die Hand, um Hekate an ihrer Antwort zu hindern. „Nein, warte. Wie lange haben wir Zeit? Sollten wir nicht lieber das Wichtigste zuerst klären? Ehe etwas … unser Gespräch unterbricht?“ Die Antwort auf den Inhalt ihrer Aufgabe war zu wichtig, um sie im Ungewissen zu lassen.
Hekate legte die Hände ineinander, ein zufriedener Ausdruck stahl sich auf ihr Gesicht. „Die Frage nach den Gründen bringt uns bereits zum wichtigsten Teil unserer Zusammenkunft.“
„Tut sie …?“, fragte sie überrascht. Der Grund, warum sie nicht mit ihr in Kontakt hatten treten können, sollte gleichzeitig die Antwort auf die Frage nach ihrer Aufgabe sein?
„Ja, tut sie“, bejahte Hekate. „Und obwohl all diese Gründe aus verschiedenen Richtungen, von verschiedenen „Erzeugern“ kommen, hängen sie doch zusammen. Nachdem es Luzifer nicht gelungen ist, dich zu töten, muss er nun einen anderen, neuen Weg finden, ehe du seine Pläne durchkreuzen kannst. Inzwischen haben sich die Variablen etwas geändert: Du hast Unterstützung bekommen und befindest dich an einem sicheren Ort in der Menschenwelt. Damit ist er im Nachteil. Denn für ihn gilt das Gleiche wie für mich: Die Erde ist nicht unsere Welt, nicht unsere Dimension. Wir können nur bedingt und sehr gebunden in das dortige Geschehen und eure Leben eingreifen. Dass es Luzifer gelingt, sich zu materialisieren, wenn auch nur in einem anderen Körper, hatte ich nicht für möglich gehalten. Die Zwischendimension, verbunden mit dem Anteil am Wesen der Sensaten scheint ihm einen Weg ermöglicht zu haben.“ Sie seufzte. „Ich habe ihn ein weiteres Mal unterschätzt. Wie du siehst“, sie hielt kurz inne und lächelte matt, „nicht mal eine Göttin ist unfehlbar.“
Sie erwiderte Hekates Worte mit einem schüchternen Lächeln und wartete, dass sie fortfuhr.
„Aber zurück zum Kern. Weil Luzifer dir keinen weiteren Vorteil
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