Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
schloss er mit einem verschlagenen Grinsen.
Jonathan schnaubte. „Was, wenn ich mir mehr Sorgen um uns mache?“
„Also …“, sagte er, Jonathans Frage ignorierend. „Ihr bleibt, wo ihr seid. Genau hier. K-l-a-r?“ Er richtete seine Worte vor allem an Gwen, die ihn ansah, als wolle sie ihm nachrennen, sobald er vorangegangen war.
„Glasklar“, bestätigte Jonathan. „Du checkst die Lage, ich passe auf unsere Hexen auf.“ Seine Stimme klang gelassen, doch er konnte ihm ansehen, dass er an jedem Ort der Welt lieber wäre, als hier; alles andere tun wollte, nur das nicht, was sie vorhatten.
„Nick!“ Gwen trat dicht an ihn heran.
Er zuckte innerlich leicht zusammen, als sie ihn mit seinem Spitznamen ansprach, gab sich jedoch keinerlei Blöße. „Je länger wir hier sind, desto länger sind wir in unmittelbarer Gefahr. Ich werde jetzt gehen und du rührst dich nicht vom Fleck. Verstanden?“ Er sah, dass sie auf ihrer Unterlippe nagte. „Ich weiß, du triffst deine Entscheidungen gerne selber, aber bitte hör nur dieses eine Mal auf mich. Entscheide dich dafür, auf das zu hören, was ich gesagt habe.“
Sie tat einen tiefen Atemzug, dann flüsterte sie: „Pass bitte auf dich auf …“ Sorge. Angst. Nicht wegen des Gedankens, dass sie hier festsaßen, falls ihm etwas zustieß – sondern wegen des Gedankens, dass ihm –
ihm!
– etwas zustoßen würde.
Er konnte nichts erwidern, konnte ihr lediglich ein stummes Nicken schenken. „In Ordnung“, sagte er nach einem Moment in die Runde gewandt. „Haltet euch bereit. Wenn ich zurück bin, treten wir gemeinsam durch ein Portal über. Spätestens dann solltest du bereit sein, Marah. Und spätestens dann solltest du ein paar Granaten in den Taschen griffbereit haben, James Bond.“
„Und ich?“
Er sah Gwen an und zögerte einen Moment lang. „Du hast bis dahin Zeit, es dir anders zu überlegen.“
***
Zum ersten Mal empfand Nikolaj es als Segen, dass hier keine Sonne schien, die ihn in den Fokus rückte oder ihm den Schweiß auf den Leib trieb. Die kühle Dunkelheit sorgte für einen klaren Kopf – den klaren Kopf, den er in diesem Moment brauchte. Er musste alles im Griff haben. Er musste Gwen beschützen. Er musste wieder gutmachen, was er getan hatte. Oder: Zumindest musste er versuchen einen Teil dessen, was er getan hatte, wieder gutzumachen. Buße zu tun. Alles das zu tun, was in seiner Macht lag – was nötig war.
Er stand mit dem Rücken eng an eine steinerne Hauswand gedrückt, scannte die Umgebung ab und suchte nach potenziellen Bedrohungen, die ihnen in die Quere kommen konnten – oder ihnen gar auflauerten. Es war nicht viel los auf den Straßen. An einigen Ecken bot sich dem Auge des Vorbeigehenden ein Stelldichein oder eine Prügelei dar. Aus den Kneipen und Bars drang Musik und Gelächter, ansonsten war alles verhältnismäßig ruhig und unauffällig. Zu ruhig und unauffällig für seinen Geschmack. Zu …
irgendetwas
.
Ohne dass er es in Worte fassen konnte, gefiel ihm etwas hier ganz und gar nicht. Er fühlte sich merkwürdig sichtbar, obwohl er niemanden ausfindig machen konnte, der sich um ihn scherte. Aber irgendetwas lag in der Luft. Irgendetwas war da und stellte ihm die Haare auf den Armen auf. Was er empfand, gefiel ihm nicht, brachte nicht die Befriedigung einher, die er sich nach seinem Vorsprung erhofft hatte.
Natürlich gefiel ihm das ganze Vorhaben überhaupt und ganz und gar nicht. Nachdem „der Pfleger“ Gwen aus dem Krankenhaus entführt hatte, wollte er sie lediglich – aber unbedingt – finden und in Sicherheit bringen, ehe er sich um Merkas kümmerte. Er hatte keinerlei Interesse daran, derjenige zu sein, der gejagt wurde. Zu lange schon kam er sich wie ein Gejagter vor – ein Gejagter seiner Selbst, seines Inneren, der vor sich wegzulaufen und zu fliehen versuchte. Nein, er wollte derjenige sein, der Merkas jagte, ihn stellte und ihn aus dem Weg räumte, sodass Gwen wieder sicher war. Frei von dem Sensaten, der ihr nach dem Leben trachtete und frei von ihm, der sie überhaupt in all das hineingezogen hatte. Aber er wollte diese Jagd alleine begehen. Ohne Gwen. Ohne Marah. Ohne Jonathan.
Doch nun, da nicht nur mehr Merkas, sondern auch Luzifer hinter Gwen her waren, schien es vorbei mit diesem unschuldigen Gedanken, der womöglich ohnehin niemals so unschuldig und gefestigt gewesen war, wie er sich eingeredet hatte. Aber anstatt sich umso mehr zu bemühen, sie in Sicherheit zu wissen und seinem
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