Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
den Kopf seitlich von ihr fortdrehte, sich räusperte und in einer Mischung von Autorität und Bitterkeit das Wort ergriff. „Wie auch immer … Wir sind hier und bleiben wohl auch vorerst hier. Du wolltest mitkommen, also arrangier dich damit.“
„Schon gut … kein Grund zickig zu werden …“, entgegnete Jonathan und sah sich weiter um. „Wo sind wir hier?“
„Was siehst du denn?“, fragte Nikolaj herausfordernd.
„Dreck. Stämme. Äste. Wald.“
„Na dann geben dir deine Augen doch gut Auskunft und Antwort.“
„Ich habs kapiert, ok?“, kapitulierte Jonathan. „Ich spar mir künftig meine Anspielungen und Kommentare, dafür hörst du auf, die Zicke zu mimen. Glaub mir … das können Frauen ohnehin viel besser.“
„Und da sagst du mir ständig, warum ich Single bin?“, mischte sich Marah ein. „Frag dich doch lieber mal, warum
du
Single bist.“
„Ich hab nicht behauptet, dass du eine Zicke wärst.“
„Ach ja … vergessen. Ich bin ja keine Frau, sondern eine Hexe.“ Marah streckte ihm die Zunge heraus.
Unwillkürlich schlich sich ein Grinsen auf ihre Lippen. Jonathans und Marahs Geplänkel erinnerte sie an Geschwister – wäre darunter nicht noch jene andere Spur von Vertrautheit wahrzunehmen, die ihr Gezanke auf eine andere Ebene hob.
„Im ernst“, wandte sich Jonathan wieder an Nikolaj. „Du hast gesagt, du warst schon mal in der Stadt, die um den Ursprungs … was auch immer errichtet wurde. Warum stehen wir dann jetzt mitten in diesem äußerst … unlebendigen Wald? Ich denke nicht, dass einer von uns Interesse an einem Waldspaziergang hat.“
„Wir sind nicht weit weg von unserem Ziel. Allerdings habe ich kein gutes Gefühl direkt in die Stadt überzutreten, ohne zu wissen, was dort vor sich geht. Niemand der uns dort begegnet, bedeutet etwas Gutes.“
„Normalerweise würde ich dich darauf hinweisen, dass hier wohl überhaupt nichts Gutes auf uns wartet, aber ich verkneife mir die Anspielungen und Kommentare ja ab jetzt …“, entgegnete Jonathan mit einem trockenem Räuspern.
„In dieser Richtung“, Nikolaj hob deutend den Arm, „liegt noch mehr Wald. Dort“, er drehte sich in die entgegengesetzte Richtung, „liegt unser Ziel.“„In der Stadt gibt es feste Straßen und Wege, oder?“, schaltete sich Marah dazwischen. „Asphalt. Beton. Keinen offenen Erdboden, wie hier?“
„Nützt der Erboden dir denn überhaupt etwas?“, gab Nikolaj als Gegenfrage zurück.
Marah ging in die Hocke und legte ihre Hand auf die Erde. „Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Fühlt sich anders an, als bei uns. Kälter. Dunkler. Kraftvoll, aber auf eine andere Art und Weise. Allerdings empfinde ich dieses kraftvoll als nicht besonders Vertrauenswürdig. Womöglich könnte ich es anzapfen und nutzen, aber ich weiß nicht, welches Ergebnis dabei herauskommt. Ob dabei herauskommt, was ich
will
. Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich mir vorstelle, diese Kraft zu nutzen …“ Sie rieb sich über die Arme.
„Wir müssen wissen, ob wir mit dir rechnen können oder nicht“, warf Nikolaj scharf ein. „Wir brauchen eine klare Aussage, ob du eine Hilfe bist, oder nicht.“
„Mach mal halblang“, fiel ihm Jonathan mahnend ins Wort.
Nikolaj fasste ihn ins Auge. „Ich meine das nicht beleidigend – es ist jedoch mehr als wichtig. Du würdest auch nicht mit einem Rucksack voller Waffen herumlaufen und dich in einen Krieg stürzen, ohne zu wissen, ob die Munition aus Platzpatronen und Blindgängern oder echten Patronen besteht, oder?“
Jonathan grummelte. „Nein, würde ich nicht.“
„Vielleicht sollten nur Nikolaj und ich gehen“, warf sie ein. Abermals die Furcht wahrnehmend, wenn Marah und Jonathan etwas passieren sollte. „Vielleicht ist es besser, wenn ihr hierbleibt. Vielleicht solltet ihr auch ganz zurück …“
„Die Diskussion hatten wir schon“, schnitt Jonathan ihr das Wort ab. „Vier ergibt in Summe mehr Chancen als zwei.“
„Vier ergibt in Summe aber auch mehr gefährdete Personen, als zwei“, erwiderte sie und sah erst Jonathan, dann Marah an. Natürlich wollte sie ebenso wenig dass Nikolaj etwas zustieß, aber sie brauchte ihn. Oder … sie
hatte
ihn gebraucht. Er allein hatte sie in die Welt der Sensaten bringen können – doch jetzt waren sie hier. Er allein hatte gewusst, wo der Ursprungsgrund lag – jetzt wusste auch sie, wohin sie gehen musste, um ihn zu finden. Sie war in der Lage allein weiterzugehen. Ohne dass jemand der anderen sein Leben riskieren musste
Weitere Kostenlose Bücher