Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
gar nichts gegeben, was mich für deine Einfältigkeit und deinen Ungehorsam entschädigen konnte.“
Einige Augenblicke lang genoss er das Schauspiel des sich windenden und kämpfenden Mannes, dann vollführte er eine ruckartige Drehbewegung der Klinge und versetzte ihm den Todesstoß. Ein letztes Japsen, dann gaben die Beine seines Gegenübers nach und er fiel zu Boden.
Von oben herab musterte er die Leiche einen aufmerksamen Moment lang, dann beugte er sich hinab und zog die Schneide aus dem toten Fleisch. Weiteres Blut ergoss sich auf den Boden und sammelte sich zu einer kleinen Lache neben dem Kopf des Mannes. Er trat hinter seinen Schreibtisch, setzte sich auf seinen Stuhl und zog eine Schublade auf, aus der er ein Taschentuch zog. In langsamen Bewegungen säuberte er die blutige Schneide, den Blick abwechselnd auf seine Hände und den Toten gerichtet. Nachdem die Klinge wieder silbern blitzte, schob er den Dolch zurück an seinen Gürtel, lehnte sich gegen die Stuhllehne und schloss die Augen, um nachzudenken.
Was galt es als Nächstes zu tun? Würde es seinen Männern gelingen, Nikolaj und das Mädchen ein zweites Mal zu finden? Wo hielten sie sich jetzt gerade auf? An welchen Ort hatte Nikolaj sie gebracht? So weit er wusste, gehörte das Haus in Italien nicht Nikolaj. Er kannte keinerlei Verbindung zwischen ihm und diesem Platz – was bedeuten musste, dass einer der anderen einen Bezug dazu hatte. Die Hexe? Der Mann? Oder vielleicht das Gör selbst? Wenn er es herausfand, würde ihm die Information so viel nützen, dass er ihren neuen Zufluchtsort ausfindig machen konnte?
Die Antwort liegt im Ursprung … Die Antwort liegt im Ursprung … Die Antwort liegt im Ursprung …
Abermals diese Stimme. Immer noch genauso rau, doch deutlicher und näher als beim letzten Mal.
Die Antwort liegt im Ursprung
– was genau sollte das bedeuten? Welcher Ursprung? Für welche seiner Fragen sollte dies die Antwort sein? Er wollte Nikolaj und das Menschengör endlich in die Finger bekommen – das war seine höchste Priorität, sein größtes Anliegen. Denn wenn er sie einmal hatte, würde er sich an ihnen vergehen, bis sie um den Tod bettelten, den er ihnen nicht schenken würde, ehe er genug hatte. Ehe er fertig war mit ihnen. Doch nach der Pleite in der Toskana musste er sie zuerst einmal finden – wiederfinden. Wissen, wo sie nun waren. Es ging demnach darum, herauszufinden, wohin sie geflüchtet waren, nachdem sie das Haus aufgeben mussten. Die entscheidende,
die
Frage lautete also: „Wo waren sie jetzt?“ Und die Antwort darauf …
Die Antwort liegt im Ursprung … Hexe …
Ursprung … Hexe … Ursprung … Hexe …
Ein Geistesblitz fuhr durch ihn und ließ seinen Mund einen Spalt weit aufgehen. Aber ja … das Ursprungsportal. Dort, wo den Gerüchten nach eine Hexe einen Zauber gesprochen und sie ins Leben gerufen hatte. Nicht hier, aber doch kraftvoll genug, dass es einen Spiegelplatz in ihrer Welt gab, der als Ursprungsgrund galt.
Eine Hexe war bei Nikolaj und dem Gör gewesen. Das konnte kein Zufall sein. Es hatte etwas zu bedeuten. Zwar konnte er nicht sagen, was genau es bedeutete, was dahintersteckte, in welchem übergeordneten Zusammenhang es stand, aber er fühlte die Gewissheit darüber, dass die vier Flüchtlinge sich ihm freiwillig nähern, hierherkommen würden. Auf ihren Grund und Boden. Oder vielleicht sogar schon hier waren.
Als der gute Gastgeber, der er war, würde er ihnen einen reizenden und aufmerksamen Empfang zuteilwerden lassen. So viel war er ihnen auf jeden Fall schuldig.
ACHZEHN
„ Ok …“ sagte Jonathan langgezogenen, einen Moment nachdem sie alle durch das Portal getreten und auf der anderen Seite herausgekommen waren. „Jetzt sind wir definitiv in deiner Welt. Das hier“, er tat eine ausladende und abfällige Handbewegung, „ist nie und nimmer die Erde.“
„Genaugenommen
sind
wir auf der Erde“, erwiderte Nikolaj, einen barschen Tonfall inne. „Nur in einer anderen Dimension.“
„Wie auch immer du es nennen willst … Ich fühl mich hier nicht Zuhause. Jetzt nicht und später ebenso wenig … “, sagte Jonathan und schüttelte sich, sodass der Inhalt seines Rucksacks schepperte und Gwen sich fragte, wie viel von was genau er noch enthielt.
Ein grimmiger Ausdruck huschte über Nikolajs Gesicht, wurde scheinbar jedoch einzig von ihr bemerkt. War es Widerwillen? Wut?
Er ertappte sie dabei, wie sie ihn musterte, hielt ihren Blick einen Sekundenbruchteil, ehe er
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