Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch
zum Abschied.
»Darf ich da mitreden?«, fragte Flocke, der schon an der Zimmertür auf sie wartete. Ich hörte noch, wie sie »nö« sagte und wie er protestierte.
Typisch Mann. Erst krempelt er ihr Leben um, dann verschwindet er einfach für ein Jahr, und sie darf nicht mal mehr selbst über ihre Haare bestimmen. Wenn der nicht mein Bruder wäre, hätte ich dazu eine Meinung. Aber er ist es nun mal und ich halte die Klappe. Zumindest, solange Dana zuhört.
18.30 Uhr Tja. Und jetzt muss ichmir langsam mal überlegen, was ich mit Paps und Tom mache.Ich weiß, ich muss Tom das mit dem Hausarrest erzählen. Das Problem ist nur: Ich will nicht, dass er schlecht über meinen Vater denkt. Und man kann über die Erziehungsmaßnahmen und die seltsamen Bücher meines Vaters ja nur Schlechtes denken. Erst recht, wenn man Eltern hat wie Tom. Möglich, dass Barkers früher auch mal ähnlich verkrampft wie Paps waren. Aber wenn, dann hat Tom das nie erlebt. Er ist nämlich die Rosine in seiner Familie. Tom hat zwei Schwestern, die viel älter sind als er und längst studieren. Und die beiden Großen haben ihre Eltern ganz gut abgehärtet, bei denen ging es rund.
Seit Anna und Lea aus dem Haus sind, ist bei Barkers Ruhe eingekehrt. Toms Eltern fühlen sich wohl schon ein bisschen so, als wären die Kinder aus dem Haus und als hätten sie plötzlich wieder alle Freiheiten der Welt. Sie haben gemeinsame Hobbys,verreisen viel miteinander und haben ihr eigenes Leben. Tom ist ihr Nesthäkchen und sie lieben ihn sehr, aber sie müssen nicht mehr an ihm rumerziehen. Er kann der sein, der er ist, und tun, was er will, solange er sich an ein paar Absprachen hält: Er sollte einigermaßen regelmäßig bei den Mahlzeiten erscheinen, außerdem die Schule im Griff haben, nicht zu viel Geld ausgeben, weil die Schwestern ja beide studieren, und ein paar Haushaltspflichten erledigen. Zum Beispiel muss er sich selbst um seinen Hund kümmern und morgens vor der Schule schon mit ihm Gassi gehen. Der Rest ist seine Sache. Was für ein Leben!
Ich wünschte, Paps und Tom hätten eine Art Filter in ihren Pupillen eingebaut, der verhindern würde, dass sie sich überhaupt sehen können. Und einen in ihrer Zunge, damit sie auch nichts übereinander sagen. Ich will nämlich nicht wissen, was Paps über Tom und »Säggs« denkt, und auch nicht, was Tom von seinen väterlichen Marotten hält. Ich will erst mal wissen, was ich selbst denke.
Mein Leben hat sich ganz schön verändert. Ich kann über nichts mehr reden, will nichts mehr hören und weiß nicht mehr, was ich denke. Klingt echt nach Wolke sieben.
19.00 Uhr Habe eben heimlich in »Mann oder Memme« gelesen. Jetzt weiß ich: Mehr Durchsetzungskraft hat man, wenn man sich Ziele setzt. Ohne Ziele ist man wie ein Schiff ohne Ruder oder wie ein Kutscher ohne Pferd oder wie ein Auto ohne Motor. Und diese Ziele soll man schriftlich festhalten, man soll einen Vertrag mit sich selbst schließen. Das klappt bestimmt nicht nur bei Männern. Okay. Frau oder Memme? Hier ist der neue Vertrag zwischen Lilia Kirsch und Lilia Kirsch:
1. Ich will ab sofort für voll genommen werden und werde dafür sorgen, dass mein Vater begreift, dass man nicht achtzehn Jahre lang klein und dann von einem Tag auf den anderen groß ist. Sechzehn ist schon kurz vor achtzehn und ich möchte nicht mehr behandelt werden wie meine fünfjährige Schwester!
2. Ich will herausfinden, wie man das schafft mit der Liebe und dem Alltag. Man kann ja leider nicht vierundzwanzig Stunden am Tag einfach so vor sich hin lieben, man hat ja nebenher zu tun. Und irgendwie passt in meinem Leben alles gerade so schlecht zusammen: Paps und Tom, Rosalie und Tom, ab morgen Schule und Tom. Zwischen Tom und meinem »anderen« Leben ist eine tiefe Kluft. Das muss sich ändern. Work-Love-Balance heißt das Stichwort.
3. Wieso glaubt Paps eigentlich, Jungs in unserem Alter hätten nichts anderes im Kopf als Sex? Nicht, dass das falsch wäre. Aber wieso kommt er nicht auf die Idee, auch Mädchen könnten über dieses Thema nachdenken? Genau genommen gehören dazu ja im Idealfall zwei. Und ich werde mir so langsam mal eine Meinung zu diesem Thema bilden.
19.45 Uhr So. Der erste Schritt ist getan, und zwar zu Paragraph zwei meines Vertrages, der Sache mit der Kluft zwischen Tom und meinem Alltag. Habe ihn angerufen und ihm alles von Paps erzählt. Und dann habe ich gesagt, dass ich darüber nicht reden will.
Oh Wunder, es hat geklappt. Keine
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